Politiker drängen auf Nachbesserung bei AKW

Brüssel/Saarbrücken. Es ist ein Weckruf. Zumindest werten so europäische Atomkraftgegner die ersten durchgesickerten Ergebnisse des EU-weiten Stresstests. Allen voran die Grünen in Berlin. Jürgen Trittin forderte gestern: "Peter Altmaier muss nun schnell dafür sorgen, dass - wie letztes Jahr angekündigt - die Sicherheitsanforderungen an die AKW endlich erhöht werden

Brüssel/Saarbrücken. Es ist ein Weckruf. Zumindest werten so europäische Atomkraftgegner die ersten durchgesickerten Ergebnisse des EU-weiten Stresstests. Allen voran die Grünen in Berlin. Jürgen Trittin forderte gestern: "Peter Altmaier muss nun schnell dafür sorgen, dass - wie letztes Jahr angekündigt - die Sicherheitsanforderungen an die AKW endlich erhöht werden." Die Atomkatastrophe im japanischen Fukushima habe gezeigt, "dass das Risiko bisher viel zu niedrig eingeschätzt wurde, doch seit Abschaltung der Schrottreaktoren hat die Bundesregierung die Hände in den Schoß gelegt", sagte der Grünen-Fraktionschef.

Der Bericht der EU-Kommission bescheinige fast allen 145 europäischen Kernkraftwerken Sicherheitsmängel - darunter seien auch viele deutsche AKW. Besonders kritisiert werden von den EU-Kontrolleuren die Erdbebenwarnsysteme. Mit dem EU-weiten Sicherheitscheck hatte Energiekommissar Günther Oettinger auf Fukushima reagiert.

Bundesumweltminister Altmaier (CDU) hatte bereits am Dienstag erklärt, er wolle schrittweise auf den EU-Stresstest reagieren. "Wir müssen die Vorlage des Berichtes abwarten", sagte er im Deutschlandfunk. Dann müsse geschaut werden, welche Reaktoren betroffen seien. Der Umfang der Nachrüstung sei abhängig von der Laufzeit der Reaktoren, so Altmaier.

Der saarländische Europaabgeordnete Jo Leinen (SPD) geht schon einen Schritt weiter. Er forderte: "Jetzt heißt es nachrüsten oder lieber gleich abschalten." Die Europäische Kommission veranschlage europaweit zehn bis 25 Milliarden Euro als Nachrüstungskosten für die mangelhafte Sicherheitsaussattung. "Diese Summe solle lieber in nachhaltige Energieversorgung investiert werden", erklärte Leinen.

In Deutschland sollen ab 2015 weitere Atomkraftwerke abgeschaltet werden. Acht sind bereits vom Netz, neun laufen noch. Anders in Frankreich: Dort gebe es nach Angaben von Altmaier Reaktoren, die "noch unbegrenzt und sehr lange am Netz bleiben".

Hierzu hat sich auch die saarländische Umweltministerin Anke Rehlinger (SPD) geäußert: "Wenn sich die Informationen bewahrheiten, dass das AKW Cattenom besonders unsicher ist, noch gefährlicher als der Pannenmeiler im elsässischen Fessenheim, dann bliebe für die französische Regierung nur eine Konsequenz: Dauerhaft abschalten ebenso wie Fessenheim!", sagte Rehlinger.

Doch Europas Politiker sind sich längst nicht einig, wie die Ergebnisse des AKW-Stresstests zu werten sind. Konservative Parlamentarier haben an die EU-Institutionen appelliert, trotz der entdeckten Sicherheitsmängel an den europäischen Atomkraftwerken weiter auf die Nuklearenergie zu setzen. "Es wurden keine schwerwiegenden Risiken entdeckt, die eine Schließung von Reaktoren erfordern", unterstrich die Industriepolitikerin Pilar del Castillo Vera von den Christdemokraten gestern in Brüssel. Der Abgeordnete Konrad Szymanski von den Konservativen und Reformisten sagte: "Es wäre enttäuschend, wenn andere Länder jetzt die deutsche Position zur Kernenergie aufgezwungen bekämen." EU-Energiekommissar Günther Oettinger will heute in Brüssel die Ergebnisse des Reaktoren-Stresstests vorstellen. dapd/epd/pbe

Foto: Heike Theobald

Foto: Wieck/dpa