Personaltableau nimmt Gestalt an

Brüssel · Schon vor Wochen waberte das Gerücht, dass Günther Oettinger eine Zusage der Kanzlerin für eine zweite Amtszeit als EU-Kommissar habe. Jetzt ist klar: Er ist der Kandidat der Bundesregierung für Brüssel.

Nun hat Bundeskanzlerin Angela Merkel Nägel mit Köpfen gemacht: Das CDU-Präsidium hat den 60-jährigen Günther Oettinger gestern einstimmig für eine zweite Amtszeit in der EU-Exekutive nominiert. Auch die SPD will eine erneute Nominierung als Kommissar mittragen. Die Ressortverteilung im Kollegium ist zwar Sache des neuen Kommissionspräsidenten. Doch Berlin beansprucht ein wirtschaftspolitisches Schlüsselressort - wie etwa Binnenmarkt.

Das Energieressort, das Oettinger bisher führt, galt bei seiner Kür vor fünf Jahren als "Notlösung”: gesichtswahrend, aber nicht zentral. Nicht zuletzt durch die Ukraine-Krise hat sich das geändert. Mit Blick auf die Bedeutung der Industrie in Deutschland und der starken Exportorientierung der Bundesrepublik wäre Merkel aber wohl ein klassisches wirtschaftspolitisches Ressort lieber - verbunden mit der Aufwertung Oettingers zum Vizepräsidenten. Allerdings: Die Bereiche Währung und Wettbewerb werden eher an kleinere Staaten vergeben, um Interessenkonflikte zu vermeiden. Das Binnenmarkt-Portfolio strebt auch Großbritannien an.

So oder so ist Oettinger einer von wenigen Kommissaren, die eine zweite Amtszeit bekommen. Damit nimmt das neue Personaltableau der EU langsam Gestalt an. SPD-Mann Martin Schulz dürfte Anfang Juli für weitere zweieinhalb Jahre zum Parlamentspräsidenten gekürt werden. Beim EU-Gipfel diese Woche werden die Staats- und Regierungschefs wohl den Widerstand Londons überstimmen und Jean-Claude Juncker zum Kandidaten für den Chefsessel der Kommission ausrufen. Mitte Juli soll er vom EU-Parlament gewählt werden, könnte dann Ressortgespräche mit den Regierungen beginnen. Das Spannende: Die EU-Chefs wollen Juncker ein Arbeitsprogramm mit auf den Weg geben, das seine Gegner einfangen soll. Allerdings wollen Kritiker wie Italiens Regierungschef Renzi im Gegenzug für ihr "Ja" eine Lockerung der Sparpolitik und des Stabilitätspakts, während Großbritannien, Schweden und Co. das Gegenteil fordern. Wahrscheinlich ist, dass der Stabilitäts-Pakt nicht angetastet wird, aber bestehende Spielräume mehr genutzt werden.

Die Bundesregierung teilte mit, eine flexible Anwendung des Stabilitätspakts sei möglich. So könnten beim Defizitverfahren negative wirtschaftliche Entwicklungen berücksichtigt werden, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Über eine bestehende "Investitionsklausel" ließen sich Strukturreformen berücksichtigen.

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