Parteienstreit um Atomkraft

Berlin. Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU, Foto: dpa) ist bislang nicht als ausgewiesener Energieexperte aufgefallen. Doch sein Vorstoß für eine Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke ohne Zustimmung des Bundesrats setzt die Opposition gehörig unter Strom

Berlin. Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU, Foto: dpa) ist bislang nicht als ausgewiesener Energieexperte aufgefallen. Doch sein Vorstoß für eine Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke ohne Zustimmung des Bundesrats setzt die Opposition gehörig unter Strom. Die Grünen kritisieren "juristische Winkelzüge", die SPD sieht Schwarz-Gelb im "Lobby-Gestrüpp" der Atomindustrie gefangen. Bis zum Herbst soll das Energiekonzept der Bundesregierung mit der "Brückentechnologie" Atomkraft stehen. Die Umsetzung ist im Detail umstritten.

Der Wahlausgang in Nordrhein-Westfalen und der damit verbundene Verlust der schwarz-gelben Mehrheit im Bundesrat haben die Gewichte in der Atomdebatte verschoben. Eine Zustimmung der Länderkammer ist praktisch unmöglich geworden. SPD und Grüne beharren darauf, dass eine Verlängerung der Laufzeiten über die vereinbarte Frist im Jahr 2022 mit ihnen nicht zu machen ist.

Unklar ist derzeit, ob der Bundesrat einer Laufzeitbverlängerung überhaupt zustimmen muss. Das hängt nach Experten-Einschätzung davon ab, ob die Laufzeitverlängerung die Interessen der Bundesländer betrifft und höhere Kosten oder höheren Verwaltungsaufwand für sie bedeutet. Wenn sie von der Laufzeitverlängerung besonders betroffen sind, ist ihre Zustimmung erforderlich. Denn die Atomaufsicht liegt bei den Ländern.

Nach Ansicht der Opposition ist dieser Mehraufwand für die Länder gegeben. Bestätigt fühlen sich SPD und Grüne durch ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages. "Der Fortbetrieb der zivilen Nutzung der Atomkraft hängt auch von der Entscheidung des Bundesrates ab", heißt es in einem internen Aufsatz vom 21. April. Die Verlängerung der Laufzeiten führe zu einer Verlängerung der Vollzugsaufgaben mit entsprechendem Personal- und Kostenaufwand der Länder.

Die Einschätzung der Parlamentsjuristen wird in der Union dagegen ganz anders interpretiert. Das Gutachten komme zu dem Ergebnis, dass die bloße Erhöhung der Reststrommenge lediglich eine quantitative Veränderung der Verwaltungsaufgabe bedeuten würde, heißt es etwa in der CSU. "Somit muss der Bundesrat bei geeigneter Ausgestaltung nicht zustimmen", meint der energiepolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Georg Nüßlein. dpa

Hintergrund

Die saarländische Umweltministerin Simone Peter (Grüne) betont, dass die Bundesländer an einer Entscheidung über Laufzeitverlängerungen der Atomkraftwerke beteiligt sein müssten. Sie seien "mittel- und unmittelbar" betroffen: "von den Atomtransporten, über die ungelöste Frage der Lagerung radioaktiver Abfälle bis hin zu der heute schon bestehenden Konkurrenz im Stromnetz, die den gesetzlich verankerten Vorrang für Erneuerbare Energien konterkariert." red

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