Papst stößt Konservative vor den Kopf

Rom · Katholische Ehen können bald leichter für ungültig erklärt werden. Der Vatikan stellte dazu gestern zwei Apostolische Schreiben des Papstes vor. Es ist ein Hinweis auf die künftige Ausrichtung der Kirche.

Mit einer Reform des Ehenichtigkeitsverfahrens in der katholischen Kirche hat sich Papst Franziskus über einen wesentlichen Teil des Bischofskollegiums hinweggesetzt. In zwei gestern im Vatikan vorgestellten Apostolischen Schreiben verfügte der Papst eine Vereinfachung und Beschleunigung der Verfahren zur Feststellung der Nichtigkeit katholischer Ehen.

Nach den neuen, ab 8. Dezember gültigen Regeln liegt die Hauptverantwortung bei diesen Verfahren beim Bischof einer Diözese und nicht mehr bei kirchlichen Gerichten. Insbesondere führte Franziskus die Möglichkeit eines Eilverfahrens unter dem Vorsitz des Ortsbischofs ein. Urteile müssen nicht mehr in zweiter Instanz bestätigt werden. Die Prozesse sollen für die Gläubigen kostenlos sein.

An der Unauflöslichkeit der Ehe und damit dem Verbot der Scheidung hält der Vatikan fest. Schon bisher war es aber nach kanonischem Recht möglich, Ehen unter bestimmten Voraussetzungen für ungültig zu erklären, zum Beispiel, wenn die Ehe nicht vollzogen wurde oder ein Partner von vornherein einen Kinderwunsch ausschließt. Nach Informationen der Deutschen Bischofskonferenz wurden 2013 insgesamt 740 Ehen in Deutschland für nichtig erklärt. Bisher wurden die Verfahren aber als langwierig und teuer kritisiert.

Die Debatte um eine Reform des Ehenichtigkeitsverfahrens ist Teil der Diskussion um den künftigen Kurs der katholischen Kirche. Während der Papst oder mehrheitlich auch die Deutsche Bischofskonferenz pragmatische Lösungen für Gläubige wollen, die im Konflikt mit den kirchlichen Normen sind, gibt es aus konservativen Kreisen heftigen Widerstand gegen die Änderungsbestrebungen. Die nun erfolgte Reform des Eherechts wird deshalb als wichtiger Indikator für die künftige Ausrichtung der katholischen Kirche und den Ablauf der ordentlichen Familiensynode vom 4. bis 25. Oktober im Vatikan bewertet, bei der Kirchenführer aus aller Welt über Fragen von Ehe und Familie beraten.

Meinung:

Der Papst geht seinen Weg

Von SZ-Korrespondent Julius Müller-Meining

Die Familiensynode im Vatikan steht unmittelbar vor der Tür. Ein zweites Mal innerhalb kurzer Zeit wollen ab 4. Oktober die Bischöfe über Fragen der Familie diskutieren. Dazu zählen auch strittige Themen wie die Sakramente für Gläubige, die ein zweites Mal heiraten und eine sogenannte Willkommenskultur für Homosexuelle. Mit seiner Reform der kirchlichen Ehenichtigkeitsverfahren hat Papst Franziskus nun auch den letzten Zweiflern klar gemacht, welchen Kurs er für die katholische Kirche bevorzugt. Er lautet: weniger Dogma, mehr Verständnis für die Wahrheiten der modernen Welt. Der Papst wird seinen eigenen Weg gehen, auch gegen Widerstände.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort