Pakt mit Türkei schreckt Flüchtlinge nicht ab

Athen/Brüssel/Berlin · Die Drohung, in die Türkei zurückgeschickt zu werden, hat Flüchtlinge bisher nicht vom Übersetzen nach Griechenland abgehalten. Zugleich rechnen EU-Politiker damit, dass die Flüchtlinge neue Routen finden.

Unter dem Druck eines kaum abreißenden Flüchtlingsandrangs hat Griechenland gestern mit der Umsetzung des EU-Türkei-Pakts begonnen. Von der geplanten Zwangsrückführung ließen sich Hunderte Migranten gestern noch nicht abschrecken. Nach Angaben des Krisenstabes in Athen setzten in der Nacht 875 Menschen von der türkischen Küste auf griechische Inseln über. Kurz vor Inkrafttreten des Pakts waren es am Samstag 1498, am Freitag 670.

Der Kompromiss zur Reduzierung der Flüchtlingszahlen wurde am Freitag zum Abschluss eines EU-Gipfels festgezurrt. Die Übereinkunft sieht vor, dass alle Flüchtlinge, die ab dem gestrigen Tag illegal von der Türkei nach Griechenland übersetzen, ab 4. April zwangsweise in die Türkei zurückgebracht werden können. Nur wer in einer Einzelfallprüfung nachweisen kann, dass er in der Türkei verfolgt wird, darf bleiben. Nach dem 4. April soll auch die Umsiedlung von bis zu 72 000 syrischen Bürgerkriegsflüchtlingen aus der Türkei nach Europa beginnen.

Während Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU ) viel Lob für das Abkommen erhielt, blieb CSU-Chef Horst Seehofer skeptisch. Die Vereinbarungen seien "kein Durchbruch".

Nach den Grenzschließungen der Länder auf dem Balkan und der EU-Türkei-Einigung wird erwartet, dass Schutzsuchende nun versuchen, auf andere Wege nach Mitteleuropa auszuweichen. Schon gestern retteten spanische, italienische und deutsche Marineschiffe 798 in Seenot geratene Bootsflüchtlinge vor der libyschen Küste. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini befürchtet Medienberichten zufolge, dass sich mehr als 450 000 Flüchtlinge aus Libyen auf den Seeweg über das Mittelmeer machen. Österreich drängt auf eine Schließung aller möglichen Flucht routen über den Balkan. Nach der Sperrung der bisherigen Wege und dem Flüchtlingspakt gebe es nun ein Potenzial von 1,1 Millionen Menschen, die sich auf einen alternativen Weg Richtung Bulgarien machen könnten, sagte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP). >

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