Osteuropa hat von Athen die Nase voll

Brüssel · In vielen Staaten Osteuropas gibt es besonders starken Widerstand gegen weitere Zugeständnisse an Athen. Dort müssen die Menschen mit einem Bruchteil der griechischen Gehälter und Renten auskommen.

Ihr Ruf eilt ihr voraus: Angela Merkel gilt bei den Griechen als "Eiserne Lady", die auf immer neuen Einschnitten besteht. Doch das Bild täuscht. Hinter verschlossenen Türen sind es längst andere, die für die hellenischen Forderungen kein Verständnis mehr haben. Dalia Grybauskaite, Präsidentin der baltischen Republik Litauen, gehört dazu. "Für Griechenland bedeutet heute wohl immer mañana (morgen). Aber in Europa kann es nicht immer noch einmal mañana geben", sagte sie am Wochenende nach einem weiteren ergebnislosen Sondergipfel. Auch der slowakische Finanzminister Peter Kazimir zeigt sich inzwischen nur noch genervt von dem ständigen Ausweichen Athens: "Wenn jemand den Himmel auf Erden verspricht und das nicht halten kann, soll er nicht anderen die Schuld geben."

Tatsächlich haben Litauen, Lettland und Estland, aber auch die Slowakei und Slowenien Krisen hinter sich, die sie aus eigener Kraft meisterten - und dabei radikaler vorgingen, als dies die Geldgeber heute von Athen fordern. In Lettland wurden auf dem Höhepunkt der Krise die Löhne um 40 Prozent gekürzt. 2009 brach das Wachstum in Litauen um sage und schreibe 15 Prozent ein. Man sparte in nur zwei Jahren zwölf Prozent der Staatsausgaben ein, die Gehälter wurden um 20 Prozent, die Renten um zehn Prozent gekürzt. Grybauskaite verzichtete als Staatsoberhaupt auf zehn Prozent ihres Einkommens. Als sie 2013 zum Begräbnis der britischen Premierministerin Margret Thatcher reiste, benutzte sie keinen Regierungsjet oder die Luxusklasse eines Linienfliegers. Sie buchte bei einer Billig-Airline. Inzwischen steht das Land mit einem Wachstum von 2,3 Prozent und einem Schuldenanteil von 40,9 Prozent an der Wirtschaftsleistung voll im Aufschwung. Dennoch verdienen die Menschen noch immer gerade mal 700 Euro im Monat.

Das ist weniger, als Griechenland zunächst als Mindestlohn auszahlen wollte. Das Einkommen der Bulgaren liegt übrigens mit durchschnittlich 555,15 Euro im Monat nochmals deutlich darunter. Während Athens Premier Alexis Tsipras den Sozialstandard seiner Landsleute als unantastbar bezeichnet, müssen die Einwohner anderer EU-Länder schon lange mit erheblich weniger auskommen. Ein Beispiel ist der Mindestlohn, der bei den Hellenen 3,35 Euro pro Stunde beträgt. Selbst Polen garantiert nur 2,42 Euro, Rumänien zahlt lediglich 1,30 Euro.

Während das Renteneintrittsalter unter der Akropolis noch immer 60 Jahre beträgt, müssen Portugiesen bis 65 und sogar Schweden bis 64 arbeiten. Erst jetzt wird erwartet, dass Athen eine Rente mit 67 in ihre Reformliste aufnimmt. Das Bild wiederholt sich, wohin auch immer man in den EU-Ländern, die ein Tief durchschritten haben, blickt. Die Slowakei lockerte den Kündigungsschutz, Slowenien leitete Bankenreformen ein.

Kein Wunder, dass die harte Front derer, die einen Schuldenschnitt und weitere Griffe in europäische Rettungsfonds ablehnen, immer breiter wird. Der litauische Bankenpräsident Vitas Vasiliauskas erklärte jüngst: "Unser Weg waren schmerzhafte Reformen. Wenn mich einer um Rat fragen würde, würde ich ihm sagen: Du solltest mit den Kreditgebern zusammenarbeiten." Der slowakische Premier Robert Fico sagte bei einem der zurückliegenden Sondergipfel, er könne seinen Landsleuten nicht erklären, warum sie für die Rentner in Griechenland zahlen sollten, obwohl die Altersbezüge in den Karpaten nur halb so hoch lägen. Athen hat viele Partner längst zutiefst verärgert.

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