Offener Streit in der Union um Merkels Flüchtlingskurs

Berlin/Saarbrücken · Der Ton in der Flüchtlingsdebatte wird rauer. Die CSU rügt die breite Öffnung deutscher Grenzen durch Kanzlerin Merkel. Das Saarland nimmt derweil außerplanmäßig weitere Flüchtlinge auf, um Bayern zu helfen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU ) bekommt in der Flüchtlingspolitik massiven Gegenwind aus den eigenen Unions-Reihen. CSU-Parteichef Horst Seehofer sagte dem "Spiegel"-Magazin zu Merkels Entscheidung vom vergangenen Wochenende, tausende Flüchtlinge aus Ungarn nach Deutschland fahren zu lassen: "Das war ein Fehler, der uns noch lange beschäftigen wird." Der bayerische CSU-Ministerpräsident fügte hinzu: "Ich sehe keine Möglichkeit, den Stöpsel wieder auf die Flasche zu kriegen." Der frühere Bundesinnenminister und jetzige Unionsfraktionsvize Hans-Peter Friedrich (CSU ) sprach gar nun von einer "beispiellosen politischen Fehlleistung". Er warnte in der "Passauer Neuen Presse" davor, dass so auch Kämpfer der Terror-Miliz Islamischer Staat (IS) ins Land kommen könnten.

Unions-Fraktionsvize Michael Kretschmer (CDU ) sprach sich derweil für Änderungen am Asylrecht aus. Die Grenze der Aufnahmefähigkeit sei erreicht, sagte er dem MDR. Dagegen hatte Angela Merkel in einem Interview der ,,Saarbrücker Zeitung" (Freitagausgabe) erklärt, das Grundrecht auf Asyl kenne keine Obergrenze. Im ZDF-"Politbarometer" äußerten sich 66 Prozent positiv zu der Entscheidung Merkels in Sachen Flüchtlinge aus Ungarn. Die Bundesregierung rechnet für dieses Wochenende mit 40 000 neuen Flüchtlingen, doppelt so viele wie vor einer Woche.

Österreich sperrte gestern die Autobahn an einem Grenzübergang zu Ungarn. In der Nacht hatten dort bei Nickelsdorf wieder mehr als 2000 Flüchtlinge die Grenze überquert. Der Zugverkehr zwischen Österreich und Ungarn bleibt vorerst ausgesetzt. Auch südlich von Ungarn sind Tausende Menschen unterwegs in Richtung Norden. In Serbien wurden allein am Donnerstag 5540 Menschen registriert. Bisher waren im Schnitt nicht mehr als 2000 Migranten aus Mazedonien in Serbien angekommen. In Ungarn will die Regierung am Dienstag entscheiden, ob der Krisenfall ausgerufen wird. Dann werde jeder illegale Einwanderer "sofort verhaftet", sagte Ministerpräsident Viktor Orban.

Das Saarland will Bayern bei der Flüchtlingsaufnahme unterdessen noch stärker entlasten. Zu den bereits 600 angekommenen Flüchtlingen will es bis Sonntag außerplanmäßig weitere 100 Menschen aufnehmen, die über Ungarn und Österreich nach München gelangt sind. Dann sei die Kapazität der Landesaufnahmestelle "vorerst ausgeschöpft", teilte das Innenministerium mit. Der Saarlouiser Oberbürgermeister Roland Henz (SPD ) sagte der SZ, er habe auf viele Fragen im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise ,,keine Antworten mehr". Derweil soll ab Montag eine Stabsstelle im Saar-Sozialministerium die landesweite Koordination von Hilfsangeboten für Flüchtlinge übernehmen. > und B 1: Bericht, : Interview, : Meinung

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