Österreich verabschiedet sich von „Willkommenskultur“

Wien · 90 000 Asylbewerber sind 2015 in Österreich angekommen. Die kleine Alpenrepublik ist in der Flüchtlingskrise ebenso gefordert wie Deutschland. Und auch dort werden die Forderungen nach Obergrenzen immer lauter.

In Österreich war das Wort des Jahres 2015 "Willkommenskultur". Das war gestern. Das Nachrichtenmagazin "Profil" beschreibt die aktuelle politische Diskussion in der Alpenrepublik in seiner jüngsten Ausgabe mit einem ganz anderen Begriff: "Abschreckungskultur". Ähnlich wie in Deutschland scheint die Haltung zur Flüchtlingsfrage viel kritischer zu werden - nicht zuletzt nach den Übergriffen von Köln. Die Stimmung sei "noch einmal dramatischer geworden", sagt der Politikberater Thomas Hofer.

So ist die sozialdemokratische SPÖ unter Kanzler Werner Faymann nach langem Zögern bereit, den Andrang der Flüchtlinge zu drosseln. "Ich habe niemanden eingeladen, ich lade auch niemanden ein", ging Faymann in einem Interview auf Distanz zu bisherigen Ansätzen. Auf einem Asylgipfel will die Bundesregierung in Wien heute konkret nachlegen. Dann wird über Obergrenzen für die Zahl der Flüchtlinge , mehr Abschiebungen, grenznahe Wartezonen und besseren Schutz der Grenze zu Slowenien beraten.

Da passt es gut in die politische Großwetterlage, dass in wenigen Tagen das neue "Grenzmanagement" am slowenisch-österreichischen Übergang Spielfeld fertig sein wird: Ein Leitsystem zur lückenlosen Registrierung der Flüchtlinge sowie ein Mini-Zaun von etwa drei Kilometern Länge. Er soll das einfache Umgehen des Grenzpostens verhindern. Bis zu 11 000 Flüchtlinge könnten künftig täglich registriert werden, heißt es von den Einsatzkräften. Aktuell kommen 3000 Menschen täglich über die Grenze.

Anlass für die Neujustierung der Politik ist nicht zuletzt die deutsche Debatte. "SPÖ und ÖVP fürchten eine Schubumkehr in Deutschland", sagt Politikberater Hofer. Was wird, wenn die deutsche Seite mehr als die aktuell täglich etwa 200 Migranten wieder nach Österreich zurückschickt? Österreich ist nicht nur Transitland, sondern hat 2015 auch die Rekordzahl von 90 000 Asylbewerbern gezählt. 2016 könnten es nach Angaben des Innenministeriums gar bis zu 120 000 werden.

Zum Sprachrohr der Umkehr hat sich Außen- und Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) gemacht. "Jetzt ist die Zeit gekommen, in der die Staaten versuchen werden, das Problem für sich alleine zu lösen, und wir werden das jetzt auch machen", sagte er. Die Alpenrepublik hofft auf einen Domino-Effekt. Wenn jeder Staat auf der Balkanroute die Grenzen besser kontrolliere, erhöhe das den Druck auf Griechenland, wirksamer die EU-Außengrenze zu schützen.

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