Oberst Klein wird General

Berlin. Die Nacht vom 3. auf den 4. September 2009 wird Oberst Georg Klein zeit seines Lebens nicht vergessen. In jener Nacht veranlasste der Afghanistan-Offizier, zwei vermutlich von den Taliban entführte Tanklaster zu bombardieren, die in der Nähe des Feldlagers Kundus auf einer Sandbank feststeckten. Ein US-Kampfjet warf daraufhin zwei 500-Pfund-Bomben ab

Berlin. Die Nacht vom 3. auf den 4. September 2009 wird Oberst Georg Klein zeit seines Lebens nicht vergessen. In jener Nacht veranlasste der Afghanistan-Offizier, zwei vermutlich von den Taliban entführte Tanklaster zu bombardieren, die in der Nähe des Feldlagers Kundus auf einer Sandbank feststeckten. Ein US-Kampfjet warf daraufhin zwei 500-Pfund-Bomben ab. Bilanz: mehr als einhundert Tote, darunter erschreckend viele Zivilisten.Auf diese Weise wurde aus einem bis dahin völlig unbekannten Familienvater der wohl umstrittenste Offizier, den die Bundeswehr jemals hatte. Weltweit wurde Klein damals für die vielen unschuldigen Opfer verantwortlich gemacht. Der Bundestag setzte einen Untersuchungsausschuss ein, die Bundesanwaltschaft ermittelte, die Bundeswehr prüfte ein Disziplinarverfahren.

Aus allen juristischen Prüfungen ging Klein hervor, ohne dass auch nur ein einziges Mal Anklage erhoben wurde. Und schon gar nicht gab es einen Schuldspruch. Der Berufssoldat selbst hat sich in der Öffentlichkeit seither nie geäußert. In geheimer Tagung vor dem Parlamentsausschuss berichtete Klein jedoch, dass er sich als Christ immer wieder Vorwürfe mache, weil durch sein Handeln Frauen und Kinder gestorben seien.

Fast drei Jahre nach der Bombardierung bekommt der Oberst jetzt auch von der Bundeswehr eine späte Genugtuung: Gestern wurde bekannt, dass der inzwischen 51-Jährige zum General befördert wird. Ohne die Kundus-Affäre wäre Klein das vermutlich schon längst. Auch Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) - Nachfolger des mit der Aufklärung befassten Ressortchefs Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) - erhob keine Einwände.

Mit dem Afghanistan-Einsatz hat die Beförderung in die Riege der etwa 200 deutschen Generäle allerdings gar nichts zu tun. Vielmehr verdankt sie Klein einem Schreibtisch-Job: Im nächsten Frühjahr rückt er zum Abteilungsleiter im neuen Bundeswehr-Amt für Personalmanagement auf. Derzeit ist er noch Vize-Chef bei einer der Vorgängerbehörden. Das hat dann einige Monate später quasi automatisch die Ernennung zum Brigadegeneral zur Folge.

Aus der Truppe gab es viele zufriedene Kommentare. Der Bundeswehrverband sprach von einer "ganz normalen Beförderung". Die Linkspartei bezeichnete den Karrieresprung angesichts der vielen Toten als "mehr als befremdlich".

Foto: Schlueter/dapd

Meinung

Eine Provokation

Von SZ-KorrespondentWerner Kolhoff

Es gibt diese tragischen Fehler im Leben. Menschen, die in entscheidenden Sekunden falsche Entscheidungen treffen, wodurch andere sterben oder verletzt werden. Das kann im Straßenverkehr passieren, in der Technik, überall. Oder eben im Befehlsstand der Bundeswehr in Afghanistan. Aber im Fall von Oberst Klein war es nicht nur ein tragischer Fehler, es waren auch krasse Versäumnisse. Vorgeschriebene Kontroll- und Kommunikationsabläufe wurden damals missachtet, den Piloten wurde ein niedriger Vorbeiflug zur Klärung der Lage untersagt. Klein meldete Feindkontakt, ohne diesen wirklich zu haben. Das alles geschah im Stress, vielleicht auch aus Angst vor einem Angriff. Dieser Umstand sowie die schützende Hand des Verteidigungsministeriums bewahrten Klein vor Disziplinar- und Strafverfahren.

Klein war schon sehr gut damit bedient, dass er danach Oberst bleiben konnte. Dass er nun vom Verteidigungsministerium aber noch zum General befördert werden soll, ist eine Provokation. Dahinter steckt die höchst fragwürdige Botschaft an die Truppe: Wer Fehler macht, hat bei uns nichts zu befürchten. Für die Zivilbevölkerung in den Einsatzgebieten aber auch für die Anhänger der Bundeswehr als Friedensarmee ist das wahrlich keine gute Nachricht.

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