Obama erklärt ein letztes Mal die Lage der Nation

Washington · Gespannt schauen die USA auf die letzte Rede Barack Obamas zur Lage der Nation. Es geht auch um das politische Erbe des 44. Präsidenten der Vereinigten Staaten. Denn die Gräben in der amerikanischen Gesellschaft sind tief.

Die Zeit des Abschieds beginnt: Zum letzten Mal in seiner Amtszeit wendet sich US-Präsident Barack Obama in einer Rede zur Lage der Nation an die amerikanische Bevölkerung. Kommentatoren gehen davon aus, dass er die Ansprache (unserer Zeit heute Nacht um 3 Uhr) auch zum Anlass nehmen wird, sein politisches Vermächtnis zu umreißen. So dürfte der 54-Jährige Themen wie schärfere Regelungen beim Umgang mit Schusswaffen oder den Kampf gegen den Klimawandel ansprechen. Die Republikanerin Nikki Haley wird die Gegenrede halten.

Die letzte Rede zur Lage der Nation fällt in das Jahr des Präsidentschaftswahlkampfes. Die US-Bürger wählen im November einen neuen Präsidenten. Es wird aber nicht erwartet, dass sich Obama in das Rennen um seine Nachfolge einmischen oder deutlich Position zu einem der Bewerber beziehen wird. In seiner demokratischen Partei gilt Ex-Außenministerin Hillary Clinton als Favoritin.

Was bleibt von Obamas Präsidentschaft? Was gelang, was nicht? Auf der Liste der Erfolge stehen durchaus historische Entwicklungen. Mit Obamacare haben Millionen Menschen in den USA erstmals die Möglichkeit einer Gesundheitsversicherung. Im jahrzehntelangen Streit mit Kuba gab es große Fortschritte. Zudem dürfen homosexuelle Paare in den gesamten USA heiraten. Auf der anderen Seite konnte Obama mehrere Versprechen nicht halten. So wurde der US-Abzug aus Afghanistan verschoben und die Schließung des Gefangenenlagers Guantánamo ist nicht in Sicht. Außenpolitisch verschlechterte sich das Verhältnis zu Russland gravierend, ebenso wie das zu Israel.

Ein häufiger Vorwurf lautete zuletzt, dass sich während Obamas Präsidentschaft bestehende Risse durch die amerikanische Gesellschaft noch vergrößert hätten. Der Mittelstand sei weggebrochen, die Minderheit der Afroamerikaner sei vom ersten schwarzen Präsidenten der USA enttäuscht, die Frustration über die politische Klasse in Washington sei gewachsen, heißt es.

Die Verfassung schreibt dem US-Präsidenten eine jährliche Rede zur Lage der Nation vor. Er solle "dem Kongress von Zeit zu Zeit Informationen über den Zustand der Union (State of the Union)" geben. Während seines Auftritts vor dem Kongress - also den Mitgliedern des Senats und des Abgeordnetenhauses - wirbt der Präsident aber üblicherweise auch für eigene Gesetzesvorschläge. Das könnte diesmal anders sein. "Es wird keine Einkaufsliste mit Punkten sein, die er noch auf seiner Agenda hat", sagte der Politikwissenschaftler Norman Ornstein dem Fernsehsender ABC.

Obama selbst sagte in einer Videobotschaft, er werde in seiner Rede nicht nur auf die Aufgaben für das Jahr 2016 eingehen, sondern auch darauf, was darüber hinaus für die kommenden Jahre wichtig werde. "Die großen Dinge, die ein noch stärkeres, besseres und wohlhabenderes Amerika für unsere Kinder garantieren", sagte der Präsident.

Als Gäste werden unter anderem Spencer Stone, einer der drei US-Amerikaner, die in einem Schnellzug von Amsterdam nach Paris eine Terrorattacke verhindert hatten, sowie ein syrischer Flüchtling der Rede in der Lounge von First Lady Michelle Obama beiwohnen. Ein Stuhl soll dort frei bleiben, um an die Opfer von Waffengewalt zu erinnern.

Die Rede ist auch ein Medienereignis. Alle großen US-Fernsehsender berichten live. Die Ansprache wird im Internet übertragen. In Deutschland kann man sie beim Fernsehsender Phoenix verfolgen.

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