Nur ein kleines Zugeständnis

Moskau · Russlands bekanntester Häftling Michail Chodorkowski soll nun doch das Straflager etwas früher als erwartet verlassen. Aber der scharfe Putin-Gegner scheiterte in Moskau vor Gericht einmal mehr mit seinem Antrag auf sofortige Freilassung.

Kleines Zugeständnis für den Kremlgegner: Das Oberste Gericht Russlands hat dem seit fast zehn Jahren inhaftierten Michail Chodorkowski einen Strafnachlass von zwei Monaten gewährt. Der scharfe Gegner von Präsident Wladimir Putin soll damit in einem Jahr - im August 2014 - freikommen. Das entschieden die Richter in Moskau gestern in einer Berufungsverhandlung. Mit seiner Klage auf sofortige Freilassung scheiterte der Ex-Ölmanager. Bürgerrechtler reagierten empört.

Die Anwälte des 50-Jährigen kündigten nach dem Urteil an, sich an das Präsidium des Obersten Gerichts zu wenden. "In diesem sehr einfachen Fall gibt es - wenn Sie die Lügen und den ganzen Müll weglassen - keinen Grund für nur einen einzigen Tag Strafe", sagte der Jurist Wadim Kljuwgant. Chodorkowskis Vater Boris sprach noch im Gerichtssaal von einer "enttäuschenden Entscheidung" der Richter. Die russische Justiz hatte in der Vergangenheit die Haftstrafe für den einst reichsten Mann Russlands mehrfach verkürzt - von ursprünglich 14 Jahren auf nun zehn Jahre und zehn Monate.

In einer emotionalen Rede forderte Chodorkowski das Gericht auf, ihn nach fast zehn Jahren Haft freizulassen. Er war dem Prozess per Video aus einem Straflager nahe der finnischen Grenze zugeschaltet. "Es ist barbarisch, das Ansehen der Gerichte und das Gesetz so zu behandeln", sagte der frühere Unternehmer. Seine Verurteilung in einem zweiten Prozess 2010 wegen Geldwäsche und Unterschlagung sei eine "große Lüge", die den Ruf der russischen Justiz beschädige.

Die Menschenrechtlerin Ljudmila Alexejewa von der Moskauer Helsinki-Gruppe sagte, sie zweifele daran, dass Chodorkowski in einem Jahr freikomme. "Der Staat fürchtet Michail Borissowitsch (Chodorkowski), der für den fortgeschrittenen Teil der russischen Gesellschaft eine Leitfigur geworden ist", sagte sie.

Putin hatte den Ex-Chef des inzwischen zerschlagenen Ölkonzerns Yukos immer wieder mit Auftragsmorden in Verbindung gebracht. Dies nährte Spekulationen auf einen möglichen dritten Strafprozess gegen Chodorkowski.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschied unlängst, dass Russland Chodorkowski in einem ersten Prozess 2005 unfair behandelt habe. Doch erkannten die Straßburger Richter keine politische Willkür. Die Bundesregierung, die EU und die USA hatten das Vorgehen gegen Chodorkowski wiederholt als politisch motiviert angeprangert. Das Oberste Gericht reduzierte auch die Haftstrafe von Chodorkowskis ehemaligem Geschäftspartner Platon Lebedew um zwei Monate. Er soll nun im Mai 2014 freikommen.

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