NSA-Affäre: Scharfe Attacken gegen Friedrich

Berlin · Im Bundestag hat die Opposition der Regierung erneut Tatenlosigkeit bei der Aufklärung der NSA-Affäre vorgeworfen. Die Union hingegen versucht zu beschwichtigen und lobt das deutsch-amerikanische Verhältnis.

Ein halbes Jahr nach Bekanntwerden der US-Spähaffäre hat gestern der Bundestag über Konsequenzen debattiert. Die Grünen hatten die Sondersitzung beantragt. Es gab einen heftigen Schlagabtausch, aber kein Einvernehmen über eine gemeinsame Reaktion. Vor dem Reichstagsgebäude protestierten etwa 100 Rechtsanwälte und forderten Asyl für den Enthüller Edward Snowden und ein "Whistleblower-Gesetz", das den Verrat von Geheimnissen aus ehrenhaften Motiven straffrei stellt. Ins Feuer der neuen Opposition von Grünen und Linken geriet Innenminister Hans-Peter Friedrich, der im August die NSA-Affäre frühzeitig als aufgeklärt bezeichnet hatte. Der CSU-Politiker sagte zwar, dass das Abhören von Kommunikation in Deutschland strafbar sei, jedoch ließ er erneut erkennen, dass er die Vorwürfe mit großer Distanz betrachtet. So sprach er von einem "angeblichen" Ausspähen des Handys der Kanzlerin, das noch nicht erwiesen sei. Auch attestierte er den USA "Selbstreinigungsprozesse". Die Informationspolitik des Weißen Hauses kritisierte Friedrich nur deshalb, weil sie zu "allerhand Verschwörungstheorien" geführt habe. Zu einem möglichen deutschen Asyl für den nach Moskau geflüchteten Ex-Geheimdienstmitarbeiter sagte der Innenminister kein Wort. Unions-Fraktionsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer verkündete jedoch für CDU und CSU, dass Deutschland Snowden "aus übergeordneten Gründen" nicht aufnehmen wolle.

Das trug der Union den Vorwurf des "Duckmäusertums" und der "Hasenfüßigkeit" durch Gregor Gysi (Linke) ein. Der Oppositionsführer verlangte mehr "Mumm" gegenüber den USA. Erst wenn Deutschland Edward Snowden anhöre, Asyl gewähre und seinen sicheren Aufenthalt organisiere, zeige sich das Land als souverän. Auch forderte Gysi, die US-Militärstützpunkte in Deutschland zu schließen. Der Grünen-Abgeordnete Christian Ströbele, der Snowden vor kurzem im Moskauer Asyl besucht hatte, sagte, der 30-Jährige könne erheblich zur Aufklärung beitragen und müsse daher von einem Untersuchungsausschuss gehört werden. Für einen solchen Ausschuss brauchen Grüne und Linke aber die Zustimmung einer der beiden großen Fraktionen. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier hielt seine Unterstützung jedoch offen und zeigte sich skeptisch, ob dieses Instrument geeignet sei. Man müsse dazu zwischen den Fraktionen noch Gespräche führen.

Angela Merkel äußerte sich in der eigentlichen Debatte nicht, sondern blickte stumm geradeaus, als Ströbele sie fragte, warum sie sich nicht bei Snowden bedankt habe. "Immerhin haben Sie ihm zu verdanken, dass Ihr Handy derzeit wahrscheinlich nicht abgehört wird". Allerdings fügte die Kanzlerin eine Passage in ihre Regierungserklärung zum bevorstehenden EU-Gipfel ein. Sie verband die Verhandlungen der EU mit den USA um ein Freihandelsabkommen ausdrücklich mit der Spähaffäre: "Es geht auch um Vertrauen." Das müsse nun durch umfassende Aufklärung wieder aufgebaut werden. Weitere Konsequenzen nannte die Kanzlerin nicht, sondern betonte, dass das transatlantische Verhältnis "trotz alledem" von "überragender Bedeutung" sei. Eine ähnliche Linie zeichnet sich auch in den Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD ab. Am Montagabend fand die letzte Sitzung der Arbeitsgruppe zur Außenpolitik statt, in der das Thema besprochen werden sollte. Aus beiden Parteien hieß es, ein Aussetzen der Verhandlungen über das Freihandelsabkommen werde nicht erwogen.

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