Noch Schurkenstaat oder schon Partner?

Teheran · Bei seinem Iran-Besuch will der Bundesaußenminister „Vertrauen“ aufbauen, in einer Region die von Feindschaft geprägt ist. Dass es bis dahin aber noch ein weiter Weg ist, erfährt Steinmeier gestern selbst hautnah.

Gerade noch hat Frank-Walter Steinmeier seinen iranischen Kollegen Javad Zarif geduzt; man schätzt sich aus den monatelangen Atomverhandlungen. Und der redet anfangs auch freundlich, von den Wirtschaftsbeziehungen, vom gemeinsamen Kampf gegen IS. Doch dann fragt ein iranischer Journalist "im Namen Allahs" nach der Kritik Washingtons an den jüngsten Raketentests Irans, und der freundliche Herr Zarif sagt, dass die USA die größten Menschenrechtsverletzer von allen seien, zusammen mit dem "zionistischen Regime". Steinmeier interveniert sofort, nun ohne "Du": Es gelte jetzt Vertrauen aufzubauen, und da solle man missverständliche Aktionen und eine "eskalierende Sprache" tunlichst vermeiden.

Es ist der erste reguläre Besuch eines deutschen Außenministers seit über zwölf Jahren. Gestern war der Tag, an dem das im Juli ausgehandelte Atomabkommen offiziell gültig wurde. Nun muss es Schritt für Schritt umgesetzt werden, muss Iran seine Anreicherungsanlagen abbauen, damit die Sanktionen fallen können. Wahrscheinlich Anfang nächsten Jahres. Bisher erfüllt Teheran alle Verpflichtungen. Deswegen ist der Besuch möglich geworden. Deswegen hält an diesem Wochenende auch die Kerngruppe der Münchener Sicherheitskonferenz in der iranischen Hauptstadt eine internationale Konferenz zur Lage in der Region ab. Es gibt auch ein politisches Wettrennen. Nämlich um die Frage, ob der Iran sich öffnet und ob er bei der Befriedung Syriens hilft. Aber politisch, das ist das Ergebnis, geht es so schnell nicht. Steinmeier selbst merkt das am Nachmittag, als sich sein Weiterflug nach Saudi-Arabien verzögert. Einer der mitgereisten deutschen Journalisten hat eine eher harmlose Straßenszene fotografiert und dabei ein Gebäude der Sicherheitskräfte erwischt. Der Vorwurf: Spionage. Es dauert Stunden, bis das geklärt ist.

Der Außenamtschef trifft fast die gesamte Spitze des Regimes. Außenminister , Präsident, Parlamentspräsident. Der oberste Religionsführer Ajatollah Chamenei ist nicht darunter, er empfängt nie internationale Gäste. Er hat, erfährt man am Rande, zwar befohlen, das Land jetzt wirtschaftlich zu öffnen. Aber direkte Gespräche mit den USA über regionale Fragen hat er verboten. Auch die Propaganda auf Plakaten ist die Alte.

Wenn Steinmeier in Saudi-Arabien eintrifft, ist Kanzlerin Merkel in der Türkei. Iran, Saudi-Arabien, Türkei - diese Regionalmächte sind entscheidend für einen Frieden in Syrien. Und damit für den Stopp der Flüchtlingswelle. Die Kriege in Syrien und auch im Jemen sind ihre Stellvertreterkriege. Dann müssten auch noch Russland und die USA mit an den Tisch. Und Israel, hebt Steinmeier in Teheran hervor. Es ist ein komplizierter Weg zum Frieden.

Aber es gibt auch Einigungsdruck. Die Hälfte der jungen Leute im Iran ist arbeitslos und wartet auf den Aufschwung. In Saudi-Arabien ist es ähnlich. Die Flüchtlingswelle erfasst viele Nachbarstaaten Syriens. Der libanesische Außenminister berichtet auf der Konferenz in Teheran , dass im Libanon statistisch 200 Flüchtlinge pro Quadratkilometer leben. Dazu kommt für alle die Bedrohung durch den Islamischen Staat.

Steinmeier will in beiden Hauptstädten herausfinden, ob es überhaupt eine Bereitschaft gibt, miteinander zu reden. Ausloten lautet das Stichwort. "Wir sind keine Vermittler", so der SPD-Mann. Es sind magere Ziele, aber es sieht trotzdem nicht gut aus. Irans Außenminister Zarif sagt zwar, dass sein Land sich Sicherheit und Stabilität für alle in der Region wünscht, auch für Saudi-Arabien. Sein Satz "Wir möchten Saudi-Arabien nicht von der Landkarte streichen" zeigt, woher seine Regierung gedanklich kommt. Aus tiefster Feindschaft.

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