Nimmt Obama den Alleingang in Kauf?

Washington/London · Die Front der Befürworter eines Militärschlags gegen Syrien bröckelt. Das britische Parlament pfeift Premier Cameron zurück. Berlin schließt einen Einsatz der Bundeswehr erstmals strikt aus. Wagt US-Präsident Barack Obama den Alleingang?

Nach dem überraschenden Nein der Briten zu einem Militärschlag gegen Syrien wächst der Entscheidungsdruck auf Barack Obama. Mit Spannung wird erwartet, ob der US-Präsident notfalls auch einen Alleingang in Kauf nimmt, um den syrischen Machthaber Baschar al-Assad wegen des vermuteten Einsatzes von Giftgas in die Schranken zu weisen.

Dafür gebe es laut US-Außenminister John Kerry jetzt auch "klare und schlüssige" Beweise. Beim Angriff seien 1429 Menschen getötet worden, darunter 426 Kinder, sagte Kerry. Dies sei ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Die Frage sei nicht mehr, was bekannt sei, sondern was die Welt nun gemeinschaftlich dagegen unternehmen wolle. Der US-Außenminister erklärte auch, dass die Ergebnisse der Untersuchung der Vereinten Nationen für die Vereinigten Staaten keine zusätzlich nötigen Beweise erbringen würden. Die UN-Inspektoren beendeten am Freitag nach fünf Tagen ihre Arbeit in Syrien.

US-Präsident Obama, der einen Einsatz chemischer Waffen durch das syrische Regime zur "roten Linie" erklärt hat, will seine Entscheidung über einen Syrien-Einsatz von den "Interessen" der Vereinigten Staaten abhängig machen. Das sagte die sicherheitspolitische Sprecherin des Weißen Hauses, Caitlin Hayden. Sicher ist: Deutschland wird sich nicht an einem internationalen Militärschlag gegen das Assad-Regime beteiligen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Außenminister Guido Westerwelle (FDP) schlossen am Freitag einen Einsatz der Bundeswehr erstmals strikt aus. Wegen des mutmaßlichen Giftgaseinsatzes hatte die Bundesregierung immer wieder "Konsequenzen" verlangt. Die Hoffnung in Berlin ruht nun darauf, dass Russland und China ihren Widerstand im UN-Sicherheitsrat aufgeben und doch noch eine diplomatische Lösung möglich wird. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon, der eine Europareise wegen der Entwicklungen in Syrien vorzeitig abgebrochen hatte, rief die fünf Veto-Mächte für Freitagabend in New York zu Beratungen zusammen.

US-Verteidigungsminister Chuck Hagel, der derzeit auf Südostasien-Reise ist, bekräftigte, die USA wollten auch nach dem britischen Nein ein internationales Bündnis gegen das Regime in Damaskus schmieden. Zählen kann Washington wohl weiterhin auf eine Unterstützung Frankreichs. Präsident François Hollande will eine internationale Reaktion gegen Syrien notfalls auch ohne UN-Mandat. "Wenn der Sicherheitsrat nicht in der Lage ist zu handeln, wird sich eine Koalition formieren", sagte Hollande der Tageszeitung "Le Monde". Ein solches Bündnis solle so breit wie möglich sein. Frankreich sei im Rahmen seiner Möglichkeiten bereit.

Der britische Premierminister David Cameron zeigte sich nach der Abstimmungsschlappe im Unterhaus enttäuscht. Er werde sich dem Votum des Parlaments beugen, jedoch international weiter für eine "robuste Antwort" auf die - für ihn erwiesene - Anwendung von Chemiewaffen durch das Assad-Regime werben. Die Niederlage Camerons nach mehr als siebenstündiger Debatte wurde als Demütigung für den Regierungschef aufgefasst.

Auch in Washington gibt es Widerstand: Viele Abgeordnete und Senatoren äußerten sich zurückhaltend zu einem Militäreinsatz. Bei einer Telefonkonferenz von Regierungs- und Kongressmitgliedern, an der auch Außenminister John Kerry und Verteidigungsminister Chuck Hagel teilnahmen, wurden die hohen Kosten eines Einsatzes kritisiert.

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