"Nicht bei steuerlicher Gleichstellung bleiben"Seit elf Jahren gibt es in Deutschland die Homo-Ehe

Berlin. Homosexuelle Paare können seit 1. August 2001 vor dem Standesamt eine eingetragene Lebenspartnerschaft eingehen. Sie bekommen damit der Ehe ähnliche Rechte, etwa in Erbangelegenheiten. Ebenso übernehmen sie Pflichten, beispielsweise in puncto Unterhaltszahlungen. "Sie tragen füreinander Verantwortung", steht im Gesetzestext

 100 Gesetze benachteiligen gleichgeschlechtliche Partnerschaften, sagt Grünen-Politiker Volker Beck. Foto: dpa

100 Gesetze benachteiligen gleichgeschlechtliche Partnerschaften, sagt Grünen-Politiker Volker Beck. Foto: dpa

Berlin. Homosexuelle Paare können seit 1. August 2001 vor dem Standesamt eine eingetragene Lebenspartnerschaft eingehen. Sie bekommen damit der Ehe ähnliche Rechte, etwa in Erbangelegenheiten. Ebenso übernehmen sie Pflichten, beispielsweise in puncto Unterhaltszahlungen. "Sie tragen füreinander Verantwortung", steht im Gesetzestext.Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes waren 2011 bundesweit rund 27 000 sogenannte Homo-Ehen eingetragen, davon 16 000 zwischen Männern und 11 000 zwischen Frauen. Die Gesamtzahl homosexueller Paare, die zusammenleben, aber nicht verpartnert sind, wird für das Jahr 2011 mit etwa 67 000 angegeben.

Wesentliche Unterschiede zwischen Lebenspartnerschaft und Ehe bestehen im Steuer- und Adoptionsrecht. So können homosexuelle Paare bisher das Ehegatten-Splitting nicht in Anspruch nehmen. Die Regelung wird vom Bundesverfassungsgericht überprüft. Schwule und Lesben dürfen als Paar keine Kinder adoptieren, der eine Partner kann aber das Kind des anderen annehmen. dpaHerr Beck, was glauben Sie, woher kommt der Sinneswandel in der Union?

Beck: Das ist dem Verfassungsgericht und auch uns Grünen zu verdanken. Ende Juli haben die Richter mit ihrer Entscheidung zur Beamtengleichstellung Union und FDP bescheinigt, ihre fortdauernde Diskriminierung der Lebenspartnerschaft ist verfassungswidrig. Und vor der Sommerpause hatten wir Abstimmungen im Bundestag zur kompletten Gleichstellung der Lebenspartnerschaft und zur Ehe-Öffnung durchgesetzt. Die Fraktionsführungen der Koalition zwangen damals ihre Abgeordneten zur Ablehnung unserer Anträge. Vielen Schwulen und Lesben ist daraufhin der Geduldsfaden gerissen. Seit dem hagelt es Kritik an der Koalition.

Ministerin Schröder spricht sogar davon, dass homosexuelle Lebenspartnerschaften "konservative Werte" leben. Stimmt das?

Beck: Aus den gleichen Gründen ist der britische Premierminister Cameron für die Öffnung der Ehe, also zwei Schritte weiter als Schröder. Schröder hat sich auch früher schon für mehr Rechte von Lesben und Schwule ausgesprochen. Eigentlich ist der jetzige Vorstoß auch nicht sensationell. Denn die steuerliche Gleichstellung steht im Koalitionsvertrag. Ich erwarte, dass die Bundesregierung die bestehenden Benachteiligungen nun auch beseitigt. Wenn die FDP den Ball nach dieser Flanke aus der Union nicht ins Tor schießt, sollte sie endgültig vom Platz gehen.

Was bedeutet eine steuerliche Gleichstellung konkret?

Beck: Nichts anderes, als dass das eheliche Einkommensteuerrecht und damit auch das Ehegattensplitting voll auf die Lebenspartnerschaften angewendet wird. Man kann darüber streiten, ob das Splitting so überhaupt noch zeitgemäß ist. Wenn man das aber glaubt, darf man Lebenspartnerschaften nicht ausschließen.

Aber inzwischen gibt es immer mehr Paare ohne Trauschein, die auch Kinder haben. Sind die nicht die Verlierer der Debatte?

Beck: Das stimmt. Das Ehegattensplitting ist eigentlich in der jetzigen Höhe nicht mehr zeitgemäß und vertretbar. Denn es zielt nicht auf tatsächliche und aktuelle Betreuungsleistungen ab, sondern bindet die steuerliche Vergünstigung nur an den Trauschein. Diejenigen, die nicht heiraten, können es deshalb nicht beanspruchen, weil sie sich anders als in der Ehe oder in der Lebenspartnerschaft nicht unterhaltsrechtlich lebenslang verpflichten. Das ist der große Unterschied. Deswegen wollen wir das Ehegattensplitting nicht ersatzlos streichen, aber deutlich abschmelzen.

Reicht ihnen der Steuer-Vorstoß der Union?

 100 Gesetze benachteiligen gleichgeschlechtliche Partnerschaften, sagt Grünen-Politiker Volker Beck. Foto: dpa

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Beck: Es darf nicht bei der steuerlichen Gleichstellung bleiben. Es gibt eine Liste von fast 100 gesetzlichen Bestimmungen, durch die gleichgeschlechtliche Partnerschaften benachteiligt werden. Das fängt bei Betriebsübergaben nach dem Tod eines Partners an und hört beim Adoptionsrecht auf. Es gibt kein Argument dafür, dass Lebenspartner einzeln Kinder adoptieren dürfen, gemeinschaftlich aber nicht. Wir wollen die Ehe für gleichgeschlechtliche Verbindungen deshalb öffnen und den Sonderweg der Lebenspartnerschaft damit beenden. Das werden wir auch tun, falls wir nach der Bundestagswahl eine Mehrheit haben sollten.

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