New York wird nicht Schauplatz von Terror-Prozess

Washington/New York

Washington/New York. Es sollte ein "Jahrhundertprozess" mit Signalwirkung werden - mit einem ganz bewusst gewählten Schauplatz: Nur wenige Gehminuten von "Ground Zero" entfernt, im Herzen von Lower Manhattan, wollte die US-Regierung fünf mutmaßliche Drahtzieher der 9/11-Anschläge - darunter die in Guantanamo einsitzende geständige Al-Qaida-Führungsfigur Khalid Scheich Mohammed - von einem Geschworenengericht aburteilen lassen. Doch nun macht Präsident Barack Obama einen überraschenden Rückzieher. Nach zuletzt massiven Protesten von New Yorker Bürgern, aber auch Politikern beider großer Parteien sucht das Weiße Haus nach einem neuen Standort. "New York ist vom Tisch", hieß es am Wochenende in Regierungskreisen.

Der Grund der dramatischen Wende: In New York befürchtete man ein Spektakel, das nicht nur jährliche Kosten in dreistelliger Millionenhöhe, sondern auch eine Lähmung von Teilen Manhattans verursacht hätte. Wortführer der Prozess-Gegner war zuletzt ausgerechnet Bürgermeister Michael Bloomberg, der zunächst die Entscheidung in Washington begrüßt hatte. Doch dann spitzte man im "Big Apple" die Bleistifte und kam zu dem Ergebnis: Allein im ersten Jahr nach der geplanten Überstellung der Angeklagten würden Sicherheitskosten in Höhe von 216 Millionen Dollar entstehen. Ziehe sich das Verfahren hin, müsse man für jedes Folgejahr 200 Millionen Dollar veranschlagen.

Die Rechenspiele berücksichtigten, dass Tausende von Polizisten täglich nur mit der Absicherung des Gerichtsgebäudes beschäftigt sein würden, in dem man auch die Angeklagten inhaftieren wollte. Zudem hatte es Bedenken gegen die Form des Prozesses gegeben. Die Republikaner kritisieren immer wieder die Entscheidung von Justizminister Eric Holder, die Angeklagten vor ein Zivilgericht und nicht ein Militärtribunal zu stellen, das für Prozesse gegen Terroristen geeigneter sei und auch Geheimdienst-Quellen schütze. Letzte Woche hatten sechs Senatoren, darunter der Demokrat Jim Webb, noch schriftlich gegen die Manhattan-Pläne protestiert. Als Argument führten sie auch an: New York könne durch das Verfahren erneut ins Fadenkreuz geraten - und in einer vom Terror schwer getroffenen Metropole sei es so gut wie unmöglich, objektive Geschworene zu finden.

Weil Obama angesichts der Protestwelle klein beigegeben hat, schafft er sich weitere Probleme. Auch im Raum Washington, wo die Regierung Zivilverfahren gegen Guantanamo-Insassen ins Auge gefasst hat, dürften sich Bürger und Lokalpolitiker nun zum Widerstand ermutigt fühlen. Eine Durchführung des Prozesses in Guantanamo kommt wegen der internationalen Kritik an dem Lager und den Schließungsbemühungen nicht in Frage. Und ein Staatsgefängnis in Illinois, das Terrorverdächtige aus Guantanamo aufnehmen soll, wird vermutlich erst zum Jahresende einsatzbereit sein. Als wahrscheinlichste Option gilt deshalb derzeit eine der großen US-Militärbasen, die üblicherweise gut abgesichert sind.

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