Neuer Atomunfall in Frankreich

Paris. Innerhalb von nur zwei Wochen ist es in Frankreich erneut zu einem Störfall in einer Atomanlage gekommen. In einer Brennstäbefabrik in dem in der Nähe von Grenoble in Südostfrankreich gelegenen Romans-sur-Isère wurde ein undichtes Kanalisationsrohr entdeckt, aus dem radioaktive Flüssigkeit ausgetreten ist

 Besorgt: Frankreichs Umweltminister Borloo Foto: dpa

Besorgt: Frankreichs Umweltminister Borloo Foto: dpa

Paris. Innerhalb von nur zwei Wochen ist es in Frankreich erneut zu einem Störfall in einer Atomanlage gekommen. In einer Brennstäbefabrik in dem in der Nähe von Grenoble in Südostfrankreich gelegenen Romans-sur-Isère wurde ein undichtes Kanalisationsrohr entdeckt, aus dem radioaktive Flüssigkeit ausgetreten ist. Es seien lediglich 120 bis 750 Gramm Uran ausgelaufen, erklärte der Atomkonzern Areva, dessen Filiale FBFC die Anlage betreibt. Es bestehe absolut keine Gefahr für die Umwelt.

Die französische Atomaufsichtsbehörde ASN versuchte ebenfalls zu beruhigen. Der Vorfall sei keineswegs mit dem Unfall in Tricastin zu vergleichen, da kein Uran in die Umwelt gelangt sei, sagte eine Sprecherin. "Der Grundwasserspiegel ist sehr weit weg und der Boden wasserdicht versiegelt." Doch ein Satz in der Mitteilung der Atomaufsicht ließ aufhorchen: Demnach haben die ASN-Inspektoren, die vor Ort den Schaden begutachteten, festgestellt, dass der Bruch in der unterirdischen Leitung offenbar bereits seit mehreren Jahren besteht. Die Frage, warum dagegen nicht früher etwas unternommen wurde, blieb allerdings unbeantwortet.

Die Atomaufsicht hat die Betreiberfirma der betroffenen Brennstäbefabrik in der Vergangenheit offenbar bereits mehrmals wegen kleinerer Störfälle ermahnt - zuletzt im Juni. Doch erst seit in der Atomanlage Tricastin vor anderthalb Wochen 18000 Liter Flüssigkeit mit 74 Kilogramm Uran auslief und zum Teil in die umliegenden Flüsse gelangte, ist die Öffentlichkeit in Frankreich hellhörig geworden. In einer ebenfalls von Areva betriebenen Fabrik in der Nähe des südfranzösischen Narbonne seien mehrmals große Mengen radioaktiven Schlamms ausgetreten, berichtet Stéphane Lhomme von der Anti-Atomkraftbewegung "Sortir du nucléaire". "Aber nur die regionale Presse hat damals darüber berichtet."

Inzwischen ist die Bevölkerung jedoch so beunruhigt, dass sich selbst die Regierung gezwungen sah zu handeln. Umweltminister Jean-Louis Borloo ordnete inzwischen an, landesweit das Grundwasser in der Umgebung aller Atomanlagen zu untersuchen. In Tricastin war an mehreren Stellen ein erhöhter Urangehalt im Grundwasser festgestellt worden, der auf frühere Vorfälle schließen lässt. Bei Installationen in den Anlagen, die nicht ummittelbar die Reaktoren beträfen, sei die Überwachung weniger streng, räumte Borloo nun ein. Er wollte deshalb die Sicherheitsmaßnahmen der Atomindustrie auf den Prüfstand stellen. In Frankreich gibt es 58 Reaktoren, die insgesamt 80 Prozent des Stroms erzeugen.

Gerade mal zwei Wochen ist es her, dass Präsident Nicolas Sarkozy die Atomenergie als "Energieform der Zukunft" lobte und den Bau eines zweiten Druckwasserreaktors EPR verkündete. Eigentlich sah sich die französische Atomindustrie angesichts der weltweiten Renaissance der Atomkraft im Aufwind. Doch nach Bekanntwerden der beiden Zwischenfälle gerät sie immer stärker unter Druck - allen voran Areva. Der Umweltschutzdachverband France Nature Environnement erwägt nun sogar, gegen den Konzern zu klagen.

Hintergrund

 Besorgt: Frankreichs Umweltminister Borloo. Foto: dpa

Besorgt: Frankreichs Umweltminister Borloo. Foto: dpa

Nachdem der französische Umweltminister Jean-Louis Borloo dazu aufgerufen hat, das Grundwasser im Umkreis der Kernkraftwerke auf Radioaktivität hin zu überprüfen, meldet die Nuklearzentrale Cattenom an der Mosel bereits Vollzug. Kraftwerkschef Philippe Gaestel sagte der Metzer Zeitung "Républicain Lorrain", solche Messungen würden bereits monatlich vorgenommen. Ihre Ergebnisse seien auch im Internet veröffentlicht. Doch nun gehe es wohl um zusätzliche Untersuchungen. gf

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