Neue Rassismus-Debatte in Israel
Jerusalem/Tel Aviv. Eine Horde jüdischer Jugendlicher macht nachts in Jerusalem Jagd auf Palästinenser. "Tod den Arabern" brüllen sie und "Araber sind Hurensöhne"
Jerusalem/Tel Aviv. Eine Horde jüdischer Jugendlicher macht nachts in Jerusalem Jagd auf Palästinenser. "Tod den Arabern" brüllen sie und "Araber sind Hurensöhne". Als sie den flüchtenden 17-jährigen Dschamal Dschulani zu fassen bekommen, prügeln nach Aussage eines der Beteiligten etwa 40 Jugendliche auf ihn ein, auch noch, als der Palästinenser schon bewusstlos auf dem Boden liegt. Auslöser der Gewalt am Donnerstag vergangener Woche soll ein Mädchen der jüdischen Gruppe gewesen sein, das behauptete, ein Araber habe sie vergewaltigt und nun gelte es Rache zu nehmen. Der Polizist Schmuel Schenhav bezeichnet das Verbrechen später als versuchten "Lynchmord". Israel ist schockiert.Fast ebenso schrecklich wie die Tat selbst war das, was einer der festgenommenen acht Verdächtigen im Alter zwischen 13 und 19 Jahren später von sich gab. "Wenn's nach mir ginge, soll er (Dschulani) doch sterben. Er ist doch nur ein Araber", zitierte die Zeitung "Haaretz" den erst 14-Jährigen während einer Anhörung vor Gericht. Eines der beteiligten Mädchen zeigte der Richterin nur zwei Stinkefinger. Von Reue oder Mitleid mit ihrem Opfer, das erst nach einem mehrtägigen künstlichen Koma auf der Intensivstation wieder zu sich kam, keine Spur. Die israelische Gesellschaft ist erschüttert und fragt sich, wie es soweit kommen konnte in der "einzigen Demokratie" des Nahen Ostens, wie sich Israel selbst bezeichnet.
Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bemüht sich um Schadensbegrenzung. Er sieht Israel schon wegen der Besatzungspolitik im Westjordanland, dem Siedlungsbau, der Blockade des Gazastreifens und nun wegen der Kriegsdrohungen gegen den Iran ungerechterweise internationaler Kritik ausgesetzt: "Der Staat Israel toleriert weder Rassismus noch Gewalt", die Täter würden bestraft. Israel sei ein demokratischer und aufgeklärter Staat, in dem alle führenden Persönlichkeiten gegen solche Vorkommnisse seien. "Dies unterscheidet uns von unseren Nachbarn", fügte er mit einem Seitenblick auf den blutigen Konflikt in Syrien hinzu.
Präsident Schimon Peres las Eltern, Lehrern und Erziehern die Leviten. Sie seien aufgerufen, die nächste Generation "nicht nur zu Tapferkeit, sondern auch zu Großzügigkeit" zu erziehen, sagte er. "Wir müssen Werte vermitteln, die ein wenig ins Vergessen geraten sind. Das Land ist uns lieb, aber das menschliche Leben ist genauso wichtig."
Tatsächlich ist das Verhältnis zwischen den 5,9 Millionen jüdischen Israelis und der Minderheit von 1,6 Millionen arabischen Israelis gespannt. Vor allem in Jerusalem, der Nahtstelle des Konflikts. Israel bezeichnet Jerusalem als seine "unteilbare Hauptstadt". Dagegen beanspruchen die Palästinenser das 1967 von Israel besetzte Ost-Jerusalem als Hauptstadt eines künftigen Staates.
Viele Palästinenser hätten jetzt Angst, nachts das Haus zu verlassen, schrieb die Zeitung "Jediot Achronot". "Was in Jerusalem passiert ist, kann sich ebenso hier in Jaffa ereignen. Hier gibt es genügend rassistische Juden", zitierte das Blatt den 22-jährigen Ahmed Mahmid. dpa
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