Neue NSA-Affäre erschüttert BND

Berlin · Der BND gerät in der NSA-Spionageaffäre immer mehr unter Druck. Er soll den Amerikanern massiv Amtshilfe beim Ausspionieren europäischer Konzerne und Politiker gegeben und alles lange verschwiegen haben.

Seit Edward Snowden die weltweiten Spionageaktivitäten der amerikanischen NSA enthüllte, hat man sich an immer neue Steigerungen des Skandals gewöhnt. Bis hin zum Abhören des Handys der Kanzlerin durch den US-Geheimdienst. Gestern bekam die Affäre eine spezifisch deutsche Duftnote. Der Bundesnachrichtendienst (BND) wusste seit langem vom Versuch der Amerikaner, deutsche und europäische Unternehmen und Politiker auszuforschen - und sagte niemandem etwas. Es besteht sogar der Verdacht, dass der Auslandsgeheimdienst gesetzeswidrig mitmachte.

Am Mittwoch unterrichtete Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU ) das geheim tagende Kontrollgremium für die Geheimdienste; der anwesende BND-Chef Gerhard Schindler wurde herauskomplimentiert. Gestern, nach erneuter Beratung, waren die Abgeordneten parteiübergreifend auf der Palme. Es stehe der Verdacht des Landesverrats im Raum, sagte der Ausschussvorsitzende André Hahn (Linke).

BND und NSA arbeiten bei der Terrorabwehr eng zusammen. Dabei bitten sie sich gegenseitig um Hilfe beim Abhören. Die Amerikaner schicken den Deutschen dazu seit 2002 fortlaufend "Selektoren". Das sind Begriffe, E-Mail-Adressen, IP-Adressen und Handy-Nummern. Die speist der Dienst dann in seine Abhörsysteme ein und liefert der anderen Seite die Ergebnisse. Bisher hatte der BND stets behauptet, nur Kommunikation in Krisenregionen zu überwachen. Erst nach der Snowden-Enthüllung 2013, die auch Hinweise auf Wirtschaftsspionage der NSA enthielt, überprüfte der BND die von den Amerikanern gelieferten Selektoren. Und kam auf 2000, die "westeuropäische und deutsche Interessen" betrafen. Zu gut Deutsch: Es waren Kuckuckseier. Der BND sollte damit Firmen wie EADS, Eurocopter und französische Behörden aushorchen, laut "Spiegel" auch Politiker. Bei einer erneuten Prüfung kam man sogar auf 40 000 Begriffe und Adressen.

Von alldem wurde das Kanzleramt, das die Geheimdienste koordiniert, erst im März informiert, sagte Altmaier. Falls das zutrifft, hätte der Dienst eineinhalb Jahre stumm zugesehen, wie die deutsche Politik der Versicherung der USA Glauben schenkte, dass die NSA keine Wirtschaftsspionage gegen die EU betreibe. Es steht freilich auch der Verdacht im Raum, dass der Dienst vor 2013 alle von den Amerikanern angegebenen 800 000 Adressen ausforschte - um mit den Amerikanern im nachrichtendienstlichen Geschäft zu bleiben. Dann hätte der BND auch europäische und - gesetzeswidrig - sogar deutsche Kommunikation abgeschöpft.

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