Neue Fragen zu Neonazi-Morden

Berlin. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) sieht bislang keine Anzeichen für Pannen auf Bundesebene bei den Ermittlungen zu den Neonazi-Morden. "Ich habe momentan keinen Anhaltspunkt für ein offensichtliches Versagen von Bundesbehörden", sagte er der Nachrichtenagentur dpa. Die Aufarbeitung sei aber noch nicht abgeschlossen

Berlin. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) sieht bislang keine Anzeichen für Pannen auf Bundesebene bei den Ermittlungen zu den Neonazi-Morden. "Ich habe momentan keinen Anhaltspunkt für ein offensichtliches Versagen von Bundesbehörden", sagte er der Nachrichtenagentur dpa. Die Aufarbeitung sei aber noch nicht abgeschlossen. "Wir werden die Untersuchungen intensiv fortsetzen und dann klarer sehen."Am Donnerstag will der Bundestag einen Untersuchungsausschuss beschließen, um zu klären, warum die Sicherheitsbehörden die Rechtsterroristen nicht im Visier hatten. Die mutmaßliche Rechtsterroristin Beate Zschäpe hatte nach einem "Focus"-Bericht zunächst vergeblich versucht, sich der Polizei zu stellen. Am 8. November, dem letzten Tag ihrer Flucht, habe sie noch ihre Familie in Jena besuchen wollen, berichtet das Nachrichtenmagazin. Als sie aber bemerkt habe, dass Polizisten die Straße überwachten, habe sie davon Abstand genommen und die Notrufnummer 110 gewählt. Die bundesweit zur Fahndung ausgeschriebene Frau habe sich mit den Worten "Guten Tag, hier ist Beate Zschäpe" gemeldet und zwei Minuten lang versucht, sich zu stellen - doch der Beamte habe sie nicht erkannt.

Schließlich habe sie gereizt gefragt: "Wollen Sie mich veräppeln?" Die ganze Stadt werde abgesperrt, überall stünden Polizeiautos. Nachdem der Beamte aber erklärte habe, davon nichts zu wissen, habe Zschäpe aufgelegt, berichtet der "Focus". Stunden später erschien sie dann mit einem Anwalt bei der Polizei, um sich zu stellen.

Nach Ansicht des Rechtsextremismus-Kenners Bernd Wagner hat die Mordserie bislang kaum zu einem Umdenken bei der Strafverfolgung geführt. "Die Arbeit der Behörden geht in demselben uninteressierten Stil weiter", sagte der Gründer des Berliner Aussteigerprogramm "Exit" für Rechtsextreme. Er meinte: "Der Verfolgungsdruck wächst nicht, weil der Staat keine neuen Kapazitäten für diese Front hat. Es geht hier nicht um Skinhead-Rüpel, sondern um intelligente rechte Netzwerke. Da kommt man so schnell nicht rein." Ein weiteres Problem sei, dass Staatsschutz-Verfahren nicht zügig genug bearbeitet würden: "Rechtsextremisten feiern diese langen Verfahren als Event."

Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, warf Politik und Gesellschaft "mangelnde Sensibilität" im Umgang mit rechtsextremen Straftaten vor. "Ich erwarte, dass die Politik die Ursachen rechtsextremer Gewalt ergründet", sagte er dem "Tagesspiegel". Momentan gehe es nur um die Aufklärung von Pannen der Sicherheitsbehörden. "Es stört mich, dass nicht ernsthaft darüber diskutiert wird, wie in diesem Land ein verbrechenförderndes Klima gegen Minderheiten entstehen konnte."

Unterdessen dringt Alt-Kanzler Gerhard Schröder auf ein Verbot der rechtsextremen NPD. "Das wäre auch ein Stück weit Prävention", sagte der SPD-Politiker. Innenminister Hans-Peter Friedrich warnte indes vor einem überhasteten Vorgehen. dapd/dpa

Foto: Willnow/dapd

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort