Theresa May geht Wer rettet jetzt die Briten?

London · Ein Superheld wird gewiss nicht zu finden sein, aber einer muss es ja machen: Theresa May ebnet den Weg für ihre Nachfolge.

 In der Londoner Innenstadt hat der Straßenkünstler Loretto die britische Premierministerin gezeichnet. Sie trägt ein nicht besonders schmeichelhaftes Superhelden-Kostüm.

In der Londoner Innenstadt hat der Straßenkünstler Loretto die britische Premierministerin gezeichnet. Sie trägt ein nicht besonders schmeichelhaftes Superhelden-Kostüm.

Foto: picture alliance / NurPhoto/dpa Picture-Alliance / Alberto Pezzali

Sie wurde vom Hof gejagt, anders kann man es nicht sagen. Am Freitag trat die britische Premierministerin Theresa May als konservative Parteivorsitzende zurück, wird nur noch übergangsweise als Premier fungieren. Ein Nachfolger könnte bereits im Juli im Amt sein.

Das Rennen ist schon eröffnet, seit die 62-Jährige vor zwei Wochen unter Tränen vor der berühmten schwarzen Tür mit der Nummer zehn ihr politisches Ende bekanntgab. Ein Abgeordneter nach dem anderen hob daraufhin die Hand, 13 Bewerber für ihre Nachfolge waren es zwischenzeitlich. Mittlerweile ist die Zahl auf elf geschrumpft – alle mehr oder minder bereit zum Start der Schlammschlacht um das höchste Amt. Die konservative Fraktion verkleinert den Kreis sukzessive durch Wahlrunden, bis zwei Kandidaten übrigbleiben. Dann entscheidet die Basis. Ergo: Rund 160 000 Mitglieder werden über die Zukunft des 66-Millionen-Einwohner-Landes bestimmen.

Man könnte meinen, zurück in die Vergangenheit katapultiert worden zu sein, in den schicksalshaften Sommer 2016. Zurück auf Los, nur dass kaum jemand wagt, eine neue Karte zu ziehen. Wie wird es dieses Mal ausgehen? Damals herrschte monatelang ein schmutziger Wahlkampf. Mit fiesen Intrigen, die selbst Shakespeare hätte erröten lassen. Am Ende stand nur noch Theresa May. Die Frau, die zwar offiziell zu den EU-Befürwortern zählte, sich im Wahlkampf aber weitgehend zurückhielt, galt als „sichere Wahl“. Sie sollte die Rolle der Versöhnerin übernehmen. Dieser Ansatz darf getrost als gescheitert bezeichnet werden.

Sie mag als langjährige Innenministerin eine der bekanntesten Politiker gewesen sein, bevor sie ins höchste Amt aufstieg und doch blieb sie auch in den vergangenen drei Jahren weitgehend unbekannt. Politik auf der Insel ist immer auch Show. May aber eignete sich nie als Entertainerin.

Ihr größter Fehler war es, 2017 Neuwahlen auszurufen. Nach einem katastrophalen Wahlkampf verlor sie nicht nur die absolute Mehrheit, sondern auch ihre Autorität. May wurde eine Gefangene sowohl der erzkonservativen nordirischen Unionistenpartei DUP, die die Regierung fortan duldete, als auch der eigenen Hinterbänkler, die rebellierten. Der Konservativen fehle die Fähigkeit, Koalitionen zu bilden, Unterstützer hinter sich zu versammeln, beschrieben Weggefährten einstimmig ihre größte Schwäche. Diese sollte ihr zum Verhängnis werden, denn um beim Brexit einen Kompromiss zu erzielen, hätte es Allianzen erfordert. Nicht alleine der EU-Austritt war das Problem, sondern auch May persönlich, befand denn auch der einflussreiche konservative Kolumnist Matthew Parris. „Sie ist nicht normal, vielmehr außergewöhnlich“ – außergewöhnlich unkommunikativ und außergewöhnlich grob in der Art, wie sie Menschen ausblende.

Die Regierungschefin klammerte sich an ihr Amt wie eine Ertrinkende an ein Stück Treibholz. Wie verbissen hat sie um ihre Macht gekämpft, wie hartnäckig wollte sie den Brexit durchboxen als ihr Vermächtnis. Der EU-Austritt: beinahe eine Obsession. Doch das von ihr mit Brüssel ausgehandelte Abkommen scheiterte im Parlament. Einmal. Zweimal. Dreimal. Am Ende gab es keinen Ausweg aus der Sackgasse, in die sich die 62-Jährige zu großem Teil selbst manövriert hatte, wenn auch mit unfreundlicher Unterstützung ihrer Partei. Aber Mays Taktik, vor allem den Brexit-Hardlinern gefallen zu wollen und deshalb einen klaren Schnitt mit Ausscheiden aus Binnenmarkt und Zollunion zu verfolgen, schlug fehl. Nun ging die innerparteiliche Machtprobe zugunsten der Meuterer aus.

Und nun? Die völlig zerstrittenen Tories liegen in Trümmern, der oppositionellen Labour-Partei geht es kaum besser. Die Fronten in der Bevölkerung sind so verhärtet wie nie. Die Nation kämpft mit dem Erbe des EU-Referendums. Nun wird jemand anderes sein Glück versuchen müssen. Die Chancen, dass es ihr oder ihm ähnlich ergehen wird wie May, stehen ausgesprochen hoch.

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