Kaum noch öffentlicher Streit um die Asylpolitik Die CSU und der neue zahme Söder-Kurs

München · Ob Asyl- oder Klimapolitik: Nach dem Eklat im Sommer 2018 haben sich die Unionsparteien wieder angenähert. Diskutiert wird intern.

Ist das wirklich noch dieselbe CSU? Innerhalb eines Jahres haben die Christsozialen eine 180-Grad-Wende in der Asylpolitik, aber auch in der Klimapolitik hingelegt. Gestern etwa schloss sich Parteichef Markus Söder gar der Forderung der Grünen an, Klimaschutz als verpflichtende Staatsaufgabe im Grundgesetz zu verankern. Alle politischen Ebenen – Bund, Länder und Kommunen – müssten klären, was sie zum Erreichen der Klimaziele beitragen könnten, forderte der bayerische Ministerpräsident. In der Unionsfraktion kam sein Vorstoß weniger gut an. „Wir dürfen unsere Verfassung nicht überfrachten“, sagte etwa Haushaltspolitiker Eckhardt Rehberg (CDU) dem „RedaktionsNetzwerk“.

Eklatant ist der Wandel der CSU in der Asylpolitik. Zur Erinnerung: Im Sommer 2018 liefert sich die Partei, allen voran ihr damaliger Chef, Bundesinnenminister Horst Seehofer, Landesgruppenchef Alexander Dobrindt und Ministerpräsident Markus Söder, einen Machtkampf mit der CDU um Kanzlerin Angela Merkel über die Zurückweisung bereits in der EU registrierter Flüchtlinge. Nicht weniger als die Zukunft der Union stand wochenlang auf dem Spiel.

Im Sommer 2019 ist diese Dramatik kaum mehr vorstellbar. Die Asylpolitik ist (nicht nur) in Deutschland zum Randthema degradiert, was insbesondere an den rückläufigen Zuwanderungszahlen liegt. Bemerkenswert ist dabei, dass von der vereinbarten Lösung des Asylstreits – Transitzentren für bereits in der EU registrierte Flüchtlinge und bilaterale Abkommen mit anderen EU-Staaten –  kaum etwas eins zu eins in die Praxis umgesetzt wurde.

Bis heute kann die Bundesregierung kein Abkommen mit Italien vorweisen, weil der dortige Innenminister Matteo Salvini von der rechtspopulistischen Lega dem eigentlich fertigen Abkommen seine Unterschrift verweigert. Und statt in Transitzentren werden Flüchtlinge bis zur Abschiebung direkt in Einrichtungen der Bundespolizei untergebracht.

Dass das Thema in der Union keine so große Rolle mehr spielt, hat auch noch mit zwei anderen Personen zu tun: Annegret Kramp-Karrenbauer und Markus Söder. Die Chefs von CDU beziehungsweise CSU haben ihren Parteien einen neuen Kurs verordnet, der – so wird es in beiden Parteien gesehen – bislang erstaunlich gut funktioniert: Auch wenn sich die schwarzen Schwesterparteien mal in einer Frage nicht einig sein sollten, wird dies nicht wie früher unter Seehofer und Merkel in einer öffentlichen Schlammschlacht ausgetragen, sondern intern diskutiert.

Aus CSU-Sicht ist dies insbesondere deshalb möglich, weil Söder erkannt hat, dass die Union nur verlieren kann, wenn sie sich öffentlich zerfleischt. „Keiner will mehr diesen Streit haben“, sagt ein CSU-Vorstand in München. Der nun eingeschlagene Sachkurs sei genau richtig, das helfe dem Image beider Parteien.

Es müsse eine europäische Lösung her, sagte Söder auch am Montag im oberbayerischen Manching, wo er die Bilanz des vor einem Jahr gegründeten Landesamtes für Asyl und Rückführungen zog. „Natürlich ist das Ertrinken im Mittelmeer etwas, was uns alle bewegt.“ Es sei „eine christliche Pflicht, Menschen vor dem Ertrinken zu retten“.

Innerhalb der CSU ist der neue, sanfte Söder-Kurs auch in der Asylfrage absolut unumstritten. Natürlich bleibe die innere Sicherheit ein Kernelement – „wir wissen aber alle, wir dürfen hier nicht übertreiben“, heißt es aus der CSU-Spitze. Anders als in der CDU gebe es in der CSU auch keinen konservativen Flügel, der immer neue Unruhe in die Partei bringe. Die CSU sei eine Partei, in der sich in der Regel alle hinter dem Parteichef versammeln.

Seit Söders Wahl zum Ministerpräsidenten hat Bayern wieder eine eigene Grenzpolizeieinheit, zur Beschleunigung der Asylverfahren gibt es sieben Ankerzentren sowie das Landesamt für Asyl und Rückführungen – das sogenannte „Bayern-Bamf“. Das Zusammenspiel der Einrichtungen habe sich bewährt, sagte Söder am Montag. Bayern habe einen guten Weg gewählt zwischen Humanität und Durchsetzung der Rechtsstaatlichkeit.

So gut es derzeit läuft, alle wissen, die Lage kann sich auch sehr schnell wieder ändern. „Wenn die Asylzahlen wieder hochgehen, wird das wieder zum Thema“, warnt ein Vorstand. Deshalb sei es auch wichtig, dass die EU endlich ihrerseits die Migrationsfrage löse. Laut poltern oder Druck machen könne die CSU aber zunächst nicht. Denn mit Ursula von der Leyen steht ja nun eine CDU-Politikerin an der Spitze der EU-Kommission – sollte sie hier aber nicht liefern, werde die CSU das nicht einfach „still und leise hinnehmen können“.

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