Diskussion um Abkehr von Militärübungen Wie notwendig sind die gefährlichen Luftkampfmanöver?

Berlin/Nossentiner Hütte · Nach dem Absturz zweier Eurofightern steckt vielen Menschen der Schreck in den Gliedern. Warum müssen diese gefährlichen Manöver überhaupt sein?

  Mitarbeiter der Flugsicherheit suchen auf einem Feld in Mecklenburg-Vorpommern Wrackteile der verunglückten Eurofighter. Ganz in der Nähe steht ein Kindergarten.

Mitarbeiter der Flugsicherheit suchen auf einem Feld in Mecklenburg-Vorpommern Wrackteile der verunglückten Eurofighter. Ganz in der Nähe steht ein Kindergarten.

Foto: dpa/Christophe Gateau

Oberstleutnant, Fluglehrer, mehr als 3700 Flugstunden: Bei dem Zusammenstoß zweier Kampflugzeuge über Mecklenburg-Vorpommern hat es einen der erfahrensten Eurofighter-Piloten der Bundeswehr getroffen. Er konnte nach dem Absturz lebend und nur mit ein paar Kratzern aus der Krone eines Baums gerettet werden. Tödlich verletzt worden sei ein zweiter Offizier, 27 Jahre alt und ausgebildeter Kampfpilot, teilte die Luftwaffe mit. Die Ermittlungen unter Führung des Generals Flugsicherheit laufen „auf Hochtouren“. Auf Spekulationen über den Unfallhergang wollten sich Fachleute des Militärs nicht einlassen. Ein Pilotenfehler gilt manchem als wahrscheinlich, aber das Ergebnis der Untersuchungen müsse abgewartet werden. Schon werden politisch Rufe laut, Luftkampfübungen über besiedelten Gebieten in Deutschland einzustellen.

Für die Fähigkeit zur Landes- und Bündnisverteidigung sei es aber nötig, über dem eigenen Land zu fliegen, sagt der Inspekteur der Luftwaffe, Ingo Gerhartz. „Wir fliegen viele unserer Flüge über See, aber wir müssen auch einen gewissen Anteil über Land fliegen.“ Auch Flüge im Simulator seien ausgeweitet worden, könnten aber die Zeit in der Luft nicht ersetzen. „Es ist noch mal was anderes, in dem Flugzeug zu sitzen.“ Gerhartz: „Das heißt, einen großen Anteil der Flugstunden werden wir immer noch auch außerhalb des Simulators erfliegen müssen.“

Die Luftwaffe verweist da­rauf, wie sicher der Eurofighter ist, mit dem es seit der Einführung 2004 keinen vergleichbaren Unfall gab. Mitte der 60er hatte eine hohe Absturzquote zu der „Starfighter-Krise“ geführt. Von 917 Starfightern stürzten bis zum Ende ihrer Dienstzeit bei der Bundeswehr im Oktober 1987 nach offiziellen Angaben 269 ab. Und mehr als 40 Tornados verunglückten – „jedes Jahr einer“, wie ein Pilot sagt.

An der Mecklenburgischen Seenplatte, einem beliebten Urlaubsgebiet, steckt vielen der Schreck noch in den Gliedern. Von einem „Schutzengel“ für die Menschen am Boden ist die Rede. Experten in Flecktarn suchen am Dienstag noch die Spielwiese eines Kindergartens ab, in weißem Vollschutz stehen andere Soldaten mit Atemmaske in einem Feld. Eine Drohne wird zur Absuche gestartet.

Forderungen nach einer Abkehr von den Flugübungen werden immer lauter. „Viele Einwohner im Ort sind einfach genervt“, berichtet die Bürgermeisterin von Nossentiner Hütte, Birgit Kurth. Am Rande ihres Dorfes war einer der beiden Eurofighter auf ein Feld gestürzt. Wrackteile fanden sich auch im Ort selbst, eines in unmittelbarer Nähe des Kindergartens.

Ein Gemeindearbeiter entdeckte ein etwa 50 Zentimeter langes Bauteil zufällig beim Rasenmähen auf dem öffentlichen Spielplatz am Kindergarten. „Wir können von Glück reden, dass wir so davongekommen sind“, sagt die Leiterin des Kindergartens, in dem am Morgen etwa 20 Kinder spielen. Einige hätten den Absturz eines der beiden Kampfjets vom Fenster aus beobachtet. Gut einen Kilometer entfernt bohrte sich das Wrack in ein Kornfeld, wo am Dienstag Angehörige der Bundeswehr streng abgeschirmt ihre Suche fortsetzten. Das abgelöste Bauteil ging etwa 40 Meter von der Kita entfernt zu Boden. „Bei uns sind alle Einwohner geschockt“, berichtet Kurth am Tag danach.

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