Mursi geht auf den Iran zu

Kairo/Teheran. Ägyptens islamistischer Präsident Mohammed Mursi will engere Beziehungen zum Iran. Im ersten ausländischen Interview nach seiner Wahl sagte er der regimenahen iranischen Nachrichtenagentur Fars gestern, die Ausweitung der Beziehungen werde "ein wirksames strategisches Gleichgewicht in der Region" herstellen

Kairo/Teheran. Ägyptens islamistischer Präsident Mohammed Mursi will engere Beziehungen zum Iran. Im ersten ausländischen Interview nach seiner Wahl sagte er der regimenahen iranischen Nachrichtenagentur Fars gestern, die Ausweitung der Beziehungen werde "ein wirksames strategisches Gleichgewicht in der Region" herstellen. Auch der Friedensvertrag mit Israel müsse "revidiert" werden.Der 60-jährige Kandidat der konservativ-religiösen Muslimbruderschaft hatte sich in der Stichwahl um die Präsidentschaft gegen den Ex-Ministerpräsidenten Ahmed Schafik durchgesetzt. Das Ergebnis war am Sonntag verkündet worden. Nach bisherigen Ankündigungen des herrschenden Militärrats soll Mursi am 30. Juni in sein Amt eingeführt werden. Er tritt die Nachfolge des im Februar 2011 gestürzten Langzeitpräsidenten Husni Mubarak an.

Das Interview mit der iranischen Agentur war nach Angaben aus Mursis Wahlkampf-Team noch vor der Verkündung des Wahlergebnisses geführt worden. Darin sprach er sich auch für das Rückkehrrecht der Palästinenser aus, die in den Nahostkriegen fliehen mussten oder vertrieben wurden. "Dieses Thema ist für uns enorm wichtig, und in der Hinsicht werden wir auch den (mit Israel geschlossenen) Friedensvertrag von Camp David revidieren", sagte Mursi. Israel fürchtet eine Verschlechterung des Verhältnisses zu Ägypten. Engere Beziehungen zwischen Kairo und Teheran wären für Israel eine strategische Katastrophe.

Die angesprochenen neuen außenpolitischen Akzentsetzungen werde er jedoch "nicht alleine treffen", sagte Mursi. Wahrscheinlich spielte er darauf an, dass sich der Oberste Militärrat, der seit dem Sturz Mubaraks den Ton angibt, die Mitsprache in außenpolitischen und militärischen Fragen vorbehält.

In einer ersten Ansprache am späten Sonntagabend hatte Mursi erklärt: "Wir werden uns um sehr ausgewogene Beziehungen zu allen internationalen Faktoren bemühen." Bestehende Verträge, darunter den Friedensvertrag mit Israel, werde Ägypten aber einhalten. Unter Mubarak war das Verhältnis der Führung zum Iran eher frostig. Das Ajatollah-Regime hatte die diplomatischen Beziehungen 1979 wegen des Camp-David-Vertrags abgebrochen. Seit 15 Jahren strebt Teheran eine Aufwertung der Beziehungen an, stieß jedoch bei Mubarak auf taube Ohren.

Innenpolitisch gab sich Mursi in dieser ersten Rede versöhnlich. Er bezeichnete sich als "Präsident aller Ägypter" und würdigte die Revolution vom Januar und Februar 2011, die den Sturz Mubaraks bewirkt hatte. "Muslime oder Christen, Männer oder Frauen, Alte oder Junge, ihr seid alle meine Familie", erklärte er.

Kanzlerin Angela Merkel gratulierte Mursi und zählte in einem Glückwunschtelegramm "die Fortführung des demokratischen Wandels und die Förderung der nationalen Einheit" zu den größten Herausforderungen für den neuen Staatschef.

Zehntausende Anhänger Mursis feierten seinen Sieg auf dem zentralen Tahrir-Platz in Kairo bis tief in die Nacht. Andere rasten mit hupenden Autos und wehenden ägyptischen Fahnen durch die Stadt. Selbst die schwierige Verfassungslage, in der Mursi regieren muss, vermochte den Freudentaumel nicht zu dämpfen.

Denn Ägyptens Militärrat hatte zuletzt das frei gewählte Parlament aufgelöst und die Vollmachten des Staatsoberhauptes stark eingeschränkt. Dutzende Anhänger Mohammed Mursis blieben auch gestern in improvisierten Zelten auf dem Tahrir-Platz, um mit einer Dauerbesetzung Druck auf den Militärrat zu machen, seine Verfügungen zurückzunehmen. dpa

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