Mobile Sterbehelfer bringen den Tod nach Hause

Den Haag. Ruud Lourens hatte seinen Todestag selbst gewählt. Am 19. August um 15 Uhr kam der Arzt und gab ihm die Todesspritze. "Er hat diesen Tag herbeigesehnt", sagt seine Witwe Wilma. "Er ist sehr friedlich eingeschlafen." Der 63-jährige Niederländer gehörte zu den ersten Patienten der "Lebensende-Klinik" in Den Haag

 Ruud Lourens wollte sterben - eine Klinik in den Niederlanden erfüllte ihm den Wunsch. Foto: dpa

Ruud Lourens wollte sterben - eine Klinik in den Niederlanden erfüllte ihm den Wunsch. Foto: dpa

Den Haag. Ruud Lourens hatte seinen Todestag selbst gewählt. Am 19. August um 15 Uhr kam der Arzt und gab ihm die Todesspritze. "Er hat diesen Tag herbeigesehnt", sagt seine Witwe Wilma. "Er ist sehr friedlich eingeschlafen." Der 63-jährige Niederländer gehörte zu den ersten Patienten der "Lebensende-Klinik" in Den Haag. Im März wurde die Einrichtung eröffnet, und die Zahl der Klienten steigt stetig.Seit zehn Jahren ist der Tod auf Verlangen in den Niederlanden unter bestimmten Bedingungen legal: Ein Patient muss unerträglich leiden, aussichtslos krank sein und selbst ausdrücklich darum gebeten haben, sterben zu dürfen. Ein zweiter Arzt muss das Gesuch prüfen, und jeder Fall muss gemeldet werden. In Deutschland ist die aktive Sterbehilfe hingegen strafbar. Wer jemanden auf dessen eigenen Wunsch hin tötet, wird nach deutschem Recht wegen "Tötung auf Verlangen" mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft. In den Niederlanden starben im vergangenen Jahr 3695 Menschen mit aktiver Hilfe eines Arztes. Doch jede dritte Bitte wird abgelehnt. Entweder weil Ärzte dies mit ihrem Gewissen nicht vereinbaren können - oder weil die gesetzlichen Kriterien nicht erfüllt werden.

Das war zunächst auch bei Ruud Lourens so. Gut zehn Jahre lang litt er an Multipler Sklerose. "Vom Hals bis zu den Füssen war er gelähmt, aber sein Kopf funktionierte noch völlig", sagt Wilma. Er lag in einem Pflegeheim. "Er konnte nur noch an die Decke starren." Der frühere Seemann wollte sterben, doch kein Arzt wollte ihm helfen, empört sich die Witwe. Er habe ja keine Schmerzen, hätten die Ärzte gesagt.

Für Patienten wie Ruud hatte die niederländische Vereinigung für ein Freiwilliges Lebensende (NVVE) im März die erste "Lebensende- Klinik" des Landes in Den Haag eröffnet. "Der Bedarf ist sehr groß", sagte die NVVE-Vorsitzende Petra de Jong gestern bei der ersten Bilanz der Einrichtung. Bislang meldeten sich 456 Patienten, die den Wunsch hatten zu sterben. In 21 Fällen wurde er erfüllt. Bisher starb aber noch niemand in den Räumen der Klinik. "Die meisten Patienten wollen zu Hause sterben", sagt die Medizinerin de Jong. 15 mobile Teams aus je einem Arzt und einer Pflegekraft sind daher mittlerweile im ganzen Land im Einsatz.

Kritik an der "Lebensende-Klinik" haben vor allem der Ärzteverband, Kirchen und christliche Parteien. Sie fürchten, dass zu leichtfertig auch nicht Todkranken oder psychisch labilen Patienten der Todeswunsch erfüllt wird.

Für Ruud Lourens seien die Dienste der Klinik ein Segen gewesen, betont seine Witwe. An ihrer Trauer aber ändert das nichts. "Ich habe ihn verloren." dpa

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