Mittagessen mit dem Erzfeind

Washington. Fotografen oder neugierige Journalisten waren nicht erwünscht. Auch einen Pressetermin sollte es nicht geben. Es sei ein "rein privater" Lunch, betonte das Weiße Haus noch am Vortag, zu dem sich gestern Mittag Barack Obama und sein gescheiterter Herausforderer Mitt Romney im Amtssitz des Präsidenten trafen

 Barack Obama und Mitt Romney nach einem Fernsehduell im Oktober. Gestern trafen sie erneut aufeinander. Foto: Lo Scalzo/dpa

Barack Obama und Mitt Romney nach einem Fernsehduell im Oktober. Gestern trafen sie erneut aufeinander. Foto: Lo Scalzo/dpa

Washington. Fotografen oder neugierige Journalisten waren nicht erwünscht. Auch einen Pressetermin sollte es nicht geben. Es sei ein "rein privater" Lunch, betonte das Weiße Haus noch am Vortag, zu dem sich gestern Mittag Barack Obama und sein gescheiterter Herausforderer Mitt Romney im Amtssitz des Präsidenten trafen. Zum ersten Mal saßen sich jene Männer bei einem Essen gegenüber, die sich während ihrer erbittert geführten Wahlkampagne noch unterstellt hatten, eine soziale "Heuschrecke" und ein "Steuerflüchtling" zu sein (Obamas Team über Romney) oder einen "Staat sozialistischen Zuschnitts" etablieren zu wollen (Romneys Team über Obama).Warum also nun eine Vier-Augen-Mahlzeit, obwohl doch schon längst bekannt geworden ist, dass Obama große persönliche Antipathien gegenüber Romney hegt, aus denen er zumindest intern kein Geheimnis macht?

Zum Sinn und Zweck des Treffens kursieren in Washington mehrere Theorien. Die wohl unwahrscheinlichste: Obama wolle dem Republikaner zwecks maximalen Brückenschlags zur Opposition einen Kabinettsposten anbieten. Das erscheint schon allein deshalb abwegig, weil beide Männer einfach nicht miteinander können. Und Romney braucht bei einem geschätzten Privatvermögen von mehr als 100 Millionen Dollar keinen neuen Arbeitgeber. Obama hat zudem jede Menge Berater aus der Privatwirtschaft, sodass Romney hier ebenfalls nicht benötigt wird.

Viel wahrscheinlicher ist nach Ansicht von Beobachtern, dass Obama sondieren will, wie viel Gemeinsamkeiten es mit Romney in der Steuerpolitik gibt - und wie ihm der Republikaner in den nächsten Wochen helfen könnte, dieses heikle Thema angesichts der gespaltenen Mehrheitsverhältnisse im Kongress in trockene Tücher zu bekommen. Obama hatte im Streit um die Verhinderung der gefürchteten "Fiskalklippe" am Mittwoch überraschend angedeutet, dass er "flexibel" sei, was das Ausmaß der von ihm angestrebten höheren Steuerbelastung für Reiche angeht. Und auch führende Republikaner im Kongress zeigen sich derzeit kompromissbereit, um die sonst unvermeidbaren automatischen Steuererhöhungen von 2013 an zu verhindern, die für eine erneute Rezession sorgen könnten.

Interessant für Obama dürfte vor allem die Andeutung Romneys aus dem Wahlkampf sein, die Höhe der steuerlich absetzbaren Vergünstigungen für Besserverdiener sei verhandelbar. Hier scheint es durchaus Möglichkeiten für die lange überfällige Annäherung zu geben - was wiederum das politische Klima in den USA für die nächsten Jahre prägen könnte.

Hintergrund

 Barack Obama und Mitt Romney nach einem Fernsehduell im Oktober. Gestern trafen sie erneut aufeinander. Foto: Lo Scalzo/dpa

Barack Obama und Mitt Romney nach einem Fernsehduell im Oktober. Gestern trafen sie erneut aufeinander. Foto: Lo Scalzo/dpa

Die fiskalische Klippe droht zum Jahresende, wenn Demokraten und Republikaner ihren Haushaltsstreit nicht beilegen. Der Begriff bezeichnet dabei einen Mix aus Steuererhöhungen und drastischen Kürzungen bei den öffentlichen Ausgaben, die automatisch zum Jahreswechsel in Kraft treten. Sollten die USA über diese Fiskalklippe gehen, dann droht der US-Wirtschaft eine Rezession - mit katastrophalen Folgen für den Rest der Welt, wie der Internationale Währungsfonds schon Anfang Oktober warnte. red

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