Mit Feder und Tusche im Plenum

Saarbrücken. Lauter Männer in schwarzen Anzügen, denkt Inkyung Choi. Die 28-Jährige blickt ins Plenum. Sie lässt den ersten Eindruck eine Weile auf sich wirken, packt derweil Papier und einen Filzstift aus. Dann entdeckt sie einen reizvollen Farbtupfer. Die "Frau mit der dicken Brille und den roten Haaren" gefällt ihr

Saarbrücken. Lauter Männer in schwarzen Anzügen, denkt Inkyung Choi. Die 28-Jährige blickt ins Plenum. Sie lässt den ersten Eindruck eine Weile auf sich wirken, packt derweil Papier und einen Filzstift aus. Dann entdeckt sie einen reizvollen Farbtupfer. Die "Frau mit der dicken Brille und den roten Haaren" gefällt ihr. Der "etwas schläfrig" wirkende Mann daneben und der Herr, der Zeitung liest, machen das Trio komplett. Choi beginnt zu zeichnen, zunächst ganz einfache Striche. Rasch ist auf dem Block erkennbar, um wessen Profile es geht: Arbeitsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer, der Chef der Staatskanzlei, Karl Rauber, und Ministerpräsident Peter Müller.Während sich die Journalisten und restlichen Besucher der Landtagssitzung am 17. Februar auf die Worte der jeweiligen Redner konzentrieren, geht es einer Gruppe Studenten der Hochschule für Bildende Künste Saar (HBK), die sich im Zuschauerflügel des saarländischen Landtags verteilt hat, um etwas ganz Anderes. Die Studenten halten Ausschau nach Szenen am Rande des Geschehens. Momente, in denen sich die Abgeordneten unbeobachtet fühlen, konspirativ die Köpfe zusammen stecken, ihren Gedanken nachhängen oder mit den Füßen scharrend auf ihren Auftritt warten. Kurz: Momente, die eine Atmosphäre vermitteln.

Es ist ein ungewöhnliches Projekt, das die Malerei-Professorin Gabriele Langendorf und die Leiterin der HBK-Fotowerkstatt, Ingeborg Knigge, mit der Erlaubnis des Landtagspräsidenten ins Leben gerufen haben: Ein Semester lang darf ein Kurs von Studenten aller Altersgruppen und Studienfächer bei jeder Landtagssitzung zeichnen und fotografieren. Jeder das, was er will. Einzige Einschränkung: Niemand darf die Zuschauertribüne verlassen. Eine Herausforderung, sagt Inkyung Choi. Denn die eingeschränkte Bewegungsfreiheit macht Perspektivwechsel quasi unmöglich. Die statische Anordnung und fehlende Dynamik der Szenerie erschwert die Inspiration. "Die ständigen Wiederholungen der Situation schärfen aber die Sinne für Details", erläutert Professorin Langendorf die Idee hinter dem Projekt. Der für Zeichner ungewöhnliche Ort mache das Projekt reizvoll, die eingeschränkten Möglichkeiten förderten die Arbeitsökonomie der Studenten. Das gilt auch für die Fotografen unter ihnen. Viele Aufnahmen leben von den starken Gesichtsausdrücken und Gesten der Abgebildeten - Peter Müller, schmollend den Kopf in die Hand gestützt, Oskar Lafontaine mit einem Blick, als hätte er in eine saure Zitrone gebissen.

Die Koreanerin Inkyung Choi, die während vier Landtagssitzungen insgesamt 120 Zeichnungen angefertigt hat, sagt, sie habe von saarländischer Politik keine Ahnung. Sie beobachte Menschen und reime sich die politischen Konstellationen und Beziehungsgeflechte zusammen. Das Trio Kramp-Karrenbauer, Rauber und Müller habe auf sie gelangweilt gewirkt. Als hätten die drei das Gehörte schon tausendmal zu Ohren bekommen, sich aber bemüht, ihre Langeweile nicht nach außen zu demonstrieren.

Am 2. Mai um 15 Uhr wird im Landtags-Foyer eine Schau mit ausgewählten Zeichnungen und Fotografien eröffnet.

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