"Mit den Taliban verhandeln" Aufstockung um 500 Soldaten?

Worum geht es bei der Afghanistan-Konferenz in London?Koenigs: Die Strategie der Amerikaner hat sich grundlegend verändert, aus Sicht der Grünen in die richtige Richtung. Diese Veränderung muss nun von den anderen Nationen nachvollzogen werden. Die Amerikaner wollen die Region als Ganzes betrachten, also inklusive der Nachbarstaaten, und dort aktive Diplomatie betreiben

Worum geht es bei der Afghanistan-Konferenz in London?

Koenigs: Die Strategie der Amerikaner hat sich grundlegend verändert, aus Sicht der Grünen in die richtige Richtung. Diese Veränderung muss nun von den anderen Nationen nachvollzogen werden. Die Amerikaner wollen die Region als Ganzes betrachten, also inklusive der Nachbarstaaten, und dort aktive Diplomatie betreiben. Sie machen den Schutz der Bevölkerung zum oberstes Gebot in allen militärischen Aktionen, und sie suchen eine politische Lösung für Afghanistan.

Aber sie schicken auch mehr Soldaten. Muss Deutschland dem folgen?

Koenigs: Die Amerikaner erwarten von den Deutschen vor allen Dingen, dass sie mehr für die Ausbildung der afghanischen Polizei tun. Das ist in der Tat notwendig. Denn hier haben wir quantitativ nicht das gebracht, was wir in der Polizeiausbildung versprochen hatten.

In der deutschen Debatte wird 2015 als mögliches Abzugsdatum genannt. Ist das realistisch?

Koenigs: Die Amerikaner haben angekündigt, dass sie 2011 mit der Truppenreduzierung beginnen wollen. Wann aber der letzte amerikanische Soldat oder auch deutsche Soldat Afghanistan verlässt, das kann man nicht voraussagen. Das hängt wirklich davon ab, wann die afghanischen Soldaten und Polizisten selbst für Sicherheit in Afghanistan sorgen können. Aber auch wenn keine deutschen Soldaten mehr im Land sind, müssen wir im zivilen Aufbauprozess engagiert bleiben - in großem Maßstab und langfristig.

Kann und muss man mit den Taliban verhandeln?

Koenigs: Es kann nur eine politische Lösung in Afghanistan geben, keine militärische. Deshalb muss man mit dem Gegner verhandeln.

Was halten Sie von einem Aussteigerprogramm, wie es offenbar Guido Westerwelle vorschwebt?

Koenig: Denkbar. Aber es ist eine Sache der Afghanen, so ein Programm zu entwerfen, denn sie kennen die Taliban besser als wir. Das ist eine sehr heterogene Bewegung, vom radikalen Selbstmordattentäter bis zum Mitläufer, die Raum für Verhandlungen und Bündnisse lässt.

Bei der letzten Mandatsverlängerung im Herbst 2009 haben sich die Grünen enthalten. Wie sollen sie Ihrer Meinung nach jetzt stimmen?

Koenig: Es haben damals auch etliche mit Bedenken dafür gestimmt, wie ich zum Beispiel. Andere waren dagegen. Das wird bei einem neuen Mandat wieder so sein, denn der Regierungsentwurf wird allen Anzeichen nach richtige wie falsche Elemente enthalten. Die Frage, ob wir zustimmen oder ablehnen, hat aber noch eine weitere Dimension: Der Einsatz findet unter einem UN-Mandat statt. Wenn man ihn ablehnt, verlässt man nicht nur die Afghanen, sondern man entzieht sowohl den Vereinten Nationen als auch den Bündnispartnern das Vertrauen, auch den Amerikanern unter Präsident Obama, der ausdrücklich die Vereinten Nationen und diplomatische Lösungen unterstützt - was nicht selbstverständlich ist für US-amerikanische Präsidenten. Das ist eine schwerwiegende Entscheidung.Berlin. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sucht vor der internationalen Afghanistan-Konferenz parteiübergreifende Unterstützung für ihre neue zivil-militärische Strategie. Für heute Morgen hat sie die Spitzen aller im Bundestag vertretenen Parteien ins Kanzleramt eingeladen, um sie über das von der schwarz-gelben Regierung geplante "Gesamtpaket" zu informieren. Nach Merkels Angaben geht es dabei um den zivilen Wiederaufbau, die Ausbildung von Polizisten und Soldaten und "notwendige militärische Aktivitäten". Im Gespräch ist eine Aufstockung der Truppe um 500 bis 1000 Soldaten. Derzeit liegt die Obergrenze für das deutsche Kontingent bei 4500 Soldaten. Gestern Abend kam Merkel mit den zuständigen Ressortchefs aus Außen-, Innen-, Verteidigungs- und Entwicklungshilfeministerium zusammen, um das neue Konzept zu vereinbaren. Die neue Strategie soll aber erst nach der Afghanistan-Konferenz in London beschlossen werden.

Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy hat unterdessen die Entsendung weiterer französischer Kampftruppen nach Afghanistan abgelehnt. Das erklärte Sarkozy gestern Abend in einem Fernseh-Interview. Derzeit hat Frankreich 3300 Soldaten in Afghanistan stationiert. dpa/afp

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