Mit dem Ohr an der Basis

Berlin · Die Zahl der Nichtwähler steigt seit Jahren, die der Parteimitglieder sinkt. Und populistische Strömungen finden rasant Zulauf. Jetzt scheint ein kritischer Punkt erreicht. In unserer neunteiligen Serie „Volksparteien in der Krise – Demokratie in Gefahr?“ zeigen wir Beispiele, beleuchten Ursachen und suchen nach Antworten.

 Max Straubinger ist ein echtes bayerisches Original. Foto: dpa

Max Straubinger ist ein echtes bayerisches Original. Foto: dpa

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Keine andere Beschreibung trifft besser auf Max Straubinger zu als die des "bayerischen Originals". Seine tiefe Stimme, sein landestypischer Dialekt, der Schnauzbart, die etwas rundliche Statur - in jedem Heimattheater des Freistaates könnte der CSU-Mann eine Hauptrolle spielen. Ohnehin sind zwischen Theater und Politik die Grenzen ja fließend. Doch Straubinger ist keiner, der sich verstellt. Er gilt als ehrliche Haut. So einer muss wissen, worin das Erfolgsgeheimnis seiner Partei liegt.

Ist heute in Deutschland von Volksparteien die Rede, fällt meist nur noch der Name der CSU . Ihr Ruf gründet sich auf ihre bald 60-jährige Regierungsverantwortung in Bayern, fast immer mit absoluter Mehrheit. Der Erfolg im Freistaat sichert den Christsozialen seit jeher ihren Einfluss in der Bundespolitik. Und ziemlich wehmütig schauen viele Konservative in den Süden, weil sie sich in der neuen CDU von Kanzlerin Angela Merkel heimatlos fühlen. Manch einer hat angesichts des inzwischen beigelegten Streits um die Flüchtlingspolitik auf eine bundesweite Ausdehnung gehofft - doch das wäre vermutlich zu viel der Revolte. Denn dann würde sich auch die CDU in Bayern breitmachen, mit negativen Folgen für beide Unionsparteien.

Straubinger kennt diese Debatte, er kennt die Sehnsüchte in der CDU , aber auch in den anderen Parteien. Als Parlamentsgeschäftsführer im Bundestag sitzt der 62-Jährige regelmäßig mit den Vertretern der anderen Fraktionen zusammen. "Na ja", schmunzelt Straubinger, "wenn die Kollegen ehrlich zu sich selbst sind, haben sie schon eine gewisse Hochachtung vor der Leistung der CSU in den vergangenen Jahrzehnten." Starke Persönlichkeiten haben die Partei immer geprägt, Franz-Josef Strauß , Edmund Stoiber , jetzt Horst Seehofer . Die CSU ist Bayern, und Bayern irgendwie die CSU . Nur der kleineren Unionsschwester ist es gelungen, der Erosion der Volksparteien zu trotzen. Während die SPD in den Umfragen bei 20 Prozent dümpelt und die CDU bei 30, kratzt die CSU regelmäßig an der 50-Prozent-Marke.

Straubinger wundert das nicht: "Wir sind mit dem bayerischen Lebensgefühl der Bürger im besonderen Maße verbunden", erklärt er das Erfolgsprinzip der Bajuwaren. Die Brücke zwischen Partei und Wähler hat die CSU in den letzten Jahrzehnten vor allem in den Kommunen gebaut - mit Leuten, die wie Straubinger Politik von der Pieke auf betrieben haben. Erst war er in der Jungen Union, dann Ortsvorsitzender, später Kreisvorsitzender in Dingolfing-Landau. 1994 wurde er schließlich Bundestagskandidat des Wahlkreises Rottal-Inn. Der gläubige Katholik holte bei der letzten Bundestagwahl 61,1 Prozent der Stimmen. Das Ohr an der Basis zu haben, ehrlich, authentisch und verwurzelt zu sein, das macht für Straubinger einen guten Politiker aus. Dazu gehört auch, einen "bodenständigen Beruf" gelernt zu haben. So war der Vater von drei Kindern zunächst Landwirt, später Versicherungskaufmann. "Ich bin ja morgens nicht aufgestanden und habe festgestellt, Bayern und Deutschland brauchen mich", scherzt er.

Die Verbundenheit und die Nähe zu den Menschen ist es, was er bei den anderen Parteien mitunter vermisst - und was aus seiner Sicht ihren Niedergang forciert hat. Siehe SPD . Der rät Straubinger, sich endlich wieder mehr um die Arbeitnehmer zu kümmern. "Und zwar nicht in der Gewerkschaftsarbeit, sondern um deren tatsächliche Probleme."

Mehrheiten sind nicht gottgegeben, auch nicht die der CSU . Wenn innerparteilicher Streit Erfolge überlagert, dann droht der Absturz. Das war 2008 bei der CSU so, als sie nach dem Rauswurf von Edmund Stoiber nur mit sich selbst beschäftigt war - und bei den Landtagswahlen prompt die absolute Mehrheit verlor. Und das ist auch heute so, wenn man auf den zurückliegenden Zoff um die Flüchtlingspolitik schaut. Deshalb hat die Union insgesamt in den Umfragen deutlich verloren, und mit der AfD ist am rechten Rand eine neue Partei erfolgreich entstanden. Straubinger ist aber Optimist: "Ich bin überzeugt, dass wir das wieder zurückgewinnen werden". > wird fortgesetzt

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