Mister Brüssel wird zum Easy Rider

Brüssel · Kaum ein Brüsseler Fernsehjournalist findet so viel Gehör wie Rolf-Dieter Krause. Das liegt daran, dass er gerne eine klare Sprache pflegt. Nun hört das Urgestein auf und übergibt an einen Kollegen vom WDR.

 Rolf-Dieter Krause geht nach vielen Jahren in Brüssel Ende des Monates in Rente. Ein WDR-Kollege übernimmt seinen Job. Foto: dpa

Rolf-Dieter Krause geht nach vielen Jahren in Brüssel Ende des Monates in Rente. Ein WDR-Kollege übernimmt seinen Job. Foto: dpa

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Journalisten schreiben oder reden üblicherweise so viel, dass keiner ihrer Sätze mit längerer Haltbarkeit gesegnet ist. Bei Rolf-Dieter Krause (65), der Ende Juli seinen Posten als Chef des ARD-Studios Brüssel räumt und in den Ruhestand geht, dürfte das anders sein: "Das ist ungewöhnlich dumm!" - dieses Fazit nach dem Posten-Geschacher in der Folge der Europawahl im Jahr 2014 bleibt.

Es ging um Jean-Claude Juncker und die Frage, ob der frühere Luxemburger Premier nach seinem Wahlsieg als Spitzenkandidat der Christdemokraten - wie den Wählern versprochen - nun auch automatisch zum neuen Kommissionspräsidenten geadelt werden soll. Im Kreis der Staats- und Regierungschefs gab es Gegenstimmen, auch die Bundeskanzlerin distanzierte sich von Juncker, was bei der Pressekonferenz zu einem Wortgefecht mit dem ARD-Studioleiter führte, bis es Angela Merkel zu viel wurde und sie Krause zur Ordnung rief: "Ich glaube, dass wir jetzt sorgsam miteinander umgehen sollten." In seinem "Tagesthemen"-Kommentar sprach Krause jedoch am folgenden Abend von "Betrug an den Wählern" und bilanzierte: "Das Spiel der Kanzlerin treibt den Europagegnern die Wähler zu. Dieses Spiel ist nicht nur eine Schande: Es ist ungewöhnlich dumm." Juncker bekam den ersehnten Job doch.

Krause mag solche Auseinandersetzungen. Über einen guten Kommentar sagte er einmal: "Er teilt in der Mitte, die eine Hälfte stimmt zu, die andere schüttelt den Kopf und sagt: Der hat sie wohl nicht alle." Stimmt man dieser Definition zu, hat Krause, zu dessen Kennzeichen ein Halstuch, die Brille und eine raumfüllende Statur gehören, viele gute Kommentare gesprochen. Beispielsweise auf dem Höhepunkt der Griechenland-Krise, als er beim WDR-Kollegen Frank Plasberg ("Hart aber Fair") der Regierungspartei Syriza von Premier Alexis Tsipras vorwarf: "Wer so vorgeht, gehört zum Teufel gejagt." Mit solchen Worten teilte er die Fernseh- und Internet-Gemeinde stets in zwei gleich große Lager: Die einen, die ihn wegen seiner Wortgewalt bewunderten, die anderen, die er so gegen sich aufbrachte, dass sie sogar beim WDR seine Ablösung forderten.

Dabei war Krause nie ein Apostel dieser Europäischen Union. Als der gebürtige Lüneburger nach seinen Lehrjahren bei der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) in Unna, Kamen und Hamm und beim WDR 1990 zum ersten Mal nach Brüssel kam, schrieb er kurz darauf ein Buch über die "14 Argumente gegen den Vertrag von Maastricht ". Dem Euro steht er noch immer skeptisch gegenüber.

1995 holte man ihn zunächst zum WDR nach Köln zurück, bevor er 2001 erneut nach Brüssel wechselte und die Leitung des Studios übernahm. Er wurde mit großen Preisen geehrt, 2012 zum "Journalist des Jahres" gekürt und blieb immer eine Institution - auch für das Brüsseler Korrespondenten-Korps. Jetzt, im Ruhestand, will er sich zwei Träume erfüllen. Zum einen freue er sich auf laue Sommerabende auf dem Balkon seiner Berliner Wohnung, wo er bei einem Glas Rotwein mit politischen Freunden diskutieren wolle. Zum anderen möchte er endlich Motorrad-Fahren, ein Hobby, das in ihm steckt, "seit ich Easy Rider gesehen habe".

Krause ist einmal geschieden und einmal verwitwet und hat zwei Töchter. Und in Brüssel hat er viele Bewunderer, aber auch Skeptiker. Vor allem aber hat er den Nachfolger, den er sich gewünscht hat: Anfang August übernimmt sein 38-jähriger Kollege Markus Preiß vom Westdeutschen Rundfunk den Job an der Spitze des ARD-Studios in Brüssel . Das ist ganz im Sinne von Krause.

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