Milliarden-Topf mit Beigeschmack

Berlin · Geht es nach dem Bundestag, bekommen die Länder bald mehr Geld zugeteilt. Doch der Jubel hält sich in Grenzen.

 Auch CDU-Fraktionschef Volker Kauder (r.) und Bundeskanzlerin Angela Merkel hatten gestern im Bundestag noch einiges zur Bund-Länder-Finanzreform zu besprechen. Im Hintergrund: Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier und die Saar-Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (beide CDU). Foto: Kumm/dpa

Auch CDU-Fraktionschef Volker Kauder (r.) und Bundeskanzlerin Angela Merkel hatten gestern im Bundestag noch einiges zur Bund-Länder-Finanzreform zu besprechen. Im Hintergrund: Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier und die Saar-Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (beide CDU). Foto: Kumm/dpa

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(dpa) Übersichtlicher wird das Grundgesetz nicht, wenn an diesem Donnerstag erst der Bundestag und einen Tag später auch der Bundesrat den neuen Finanzpakt billigen. Gleich an 13 Stellen wird das "GG" geändert und ergänzt, um die mühsam ausgehandelte Neuordnung der Finanzströme zwischen Bund und Ländern verfassungsrechtlich festzuzurren. Hinzu kommen etliche "einfache" Gesetze, um den kaum noch überschaubaren Milliarden-Umverteilungstopf ab 2020 neu anzurühren.

Ende 2019 läuft nicht nur der höchst umstrittene geltende Finanzausgleich aus. Dann ist auch Schluss mit dem "Solidarpakt II" und den Sonderregelungen für den Osten. Zudem haben die "reichen" Geberländer Bayern und Hessen gegen das geltende System bereits geklagt. Und schließlich greift ab 2020 die Schuldenbremse in den Ländern. Die dürfen dann keine neuen Schulden mehr aufnehmen.

In einem Lob dürften sich Bund und die Bundesländer einig sein: Erstmals seit fast 50 Jahren wurde das komplizierte Finanzgeflecht reformiert, ohne dass das Bundesverfassungsgericht die Politik dazu gezwungen hat. Dann aber gehen die Meinungen über die wichtigste Reform dieser Legislaturperiode auseinander - vor allem zwischen dem Bund und der ausnahmsweise mal geschlossenen Länderfront.

Die 16 Länder-Regierungschefs sind mehr oder weniger zufrieden - auch wenn mancher inzwischen abgewählt wurde: kein Land wird nach der Neuordnung finanziell schlechter gestellt; alle Länder werden weiter ausreichend gestützt, um auch in Zeiten der Schuldenbremse klarzukommen; die "reichen" Geber werden entlastet, zahlen aber weiter üppig in den Solidar-Topf ein; der Bund greift künftig tiefer in die Tasche und bekommt dafür von den Ländern - aber eher widerwillig - mehr Eingriffsrechte.

Bis Ende 2019 funktioniert der riesige Umverteilungstopf noch so: In der ersten Stufe bekommen "arme" Länder etwas vom großen Umsatzsteuerkuchen. Stufe zwei ist der Länderfinanzausgleich im engeren Sinn. 2016 überwiesen die "Geber" die Rekordsumme von 10,62 Milliarden Euro an schwache "Nehmer". Davon schulterte Bayern über die Hälfte. Umsatzsteuer- und Länderausgleich zusammen lagen 2016 bei 19 Milliarden Euro. Die dritte Stufe umfasst Zuweisungen des Bundes. 2016 waren das 4,3 Milliarden Euro.

An die Stelle dieses Drei-Stufen-Systems tritt - nach Meinung der Reformer - ein einfacheres, transparenteres und gerechteres System. "Es wird keiner schlechter dastehen als zuvor", jubelt Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz. Es gebe gesetzlich abgesicherte Ansprüche. "Die müssen nicht betteln kommen", sagt der SPD-Mann, der geräuschlos mit Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) Vorlagen zu dem Kompromiss geliefert hat: "Es geht alles schön gerecht zu. Alles ist fair ausgependelt." Am Ende würden alle Länder eine Finanzkraft von mindestens 95 Prozent erreichen - was der Vorgabe einer "Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse" entsprechen würde.

Auch in Richtung nörgelnder Genossen meint Scholz, man könne nicht behaupten, die Länder zögen sich zulasten des Bundes aus der Solidarität zurück. Die drei großen "Geber" würden entlastet, was der Bund ausgleiche. "So eine substanzielle Veränderung des Systems ist die Reform nicht", sagt Scholz und meint damit auch die höheren Zahlungen des Bundes von jährlich gut 10 Milliarden Euro - Tendenz klar steigend.

Aber nicht nur die umgeschichteten Finanzströme sorgen hier und da für Frust. Ausgerechnet Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) hatte angekündigt, gegen die Reform stimmen zu wollen. Er wettert über den "weitreichenden, monströsen Eingriff" in das Grundgesetz. Deutschland laufe "sehenden Auges in einen Zentralstaat", und "wir singen dabei föderale Lieder". Lammert stößt sich an Bundeshilfen für marode Schulen bedürftiger Kommunen. Das Kooperationsverbot wird so aufgebrochen.

 „Es geht alles schön gerecht zu“: Minister Schäuble über den neuen Finanzpakt. Foto: dpa

„Es geht alles schön gerecht zu“: Minister Schäuble über den neuen Finanzpakt. Foto: dpa

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Nach der langen Kompromisssuche scheinen die Reformer von Bund und Ländern erschöpft. Alle Beteiligten hoffen, dass dieses Paket länger hält und nicht wieder vor Gericht landet. Ob nun auch die Chancen für größere Steuersenkungen steigen, wird sich zeigen. Denn die Einnahmeausfälle durch Entlastungen müssen Bund und Länder sowie Kommunen verkraften. Spätestens hier dürfte wieder Einigkeit herrschen: Die Finanzlage von Bund und Ländern werde überschätzt.

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