Militär-Geheimdienst massiv unter Beschuss

Berlin. Nach dem Verfassungsschutz gerät nun auch der Militärische Abschirmdienst (MAD) wegen Pannen bei der Aufklärung der Neonazi-Mordserie massiv unter Druck

Berlin. Nach dem Verfassungsschutz gerät nun auch der Militärische Abschirmdienst (MAD) wegen Pannen bei der Aufklärung der Neonazi-Mordserie massiv unter Druck. Alle Fraktionen im Bundestags-Untersuchungsausschuss warfen dem Bundeswehr-Geheimdienst gestern einhellig vor, ein Gespräch mit dem Ex-Soldaten und späteren NSU-Terroristen Uwe Mundlos aus den 90er Jahren ein halbes Jahr lang verschwiegen zu haben, nachdem der Vorgang im Frühjahr intern wieder aufgetaucht war.

Darin wurde Mundlos 1995 gefragt, ob er sich eine Zusammenarbeit mit einem Geheimdienst vorstellen könne. MAD-Präsident Ulrich Birkenheier wies die Vorwürfe zurück und betonte, dass es sich nicht um einen Anwerbeversuch gehandelt habe. Der Dienst habe lediglich ausloten wollen, wie tief Mundlos in die rechte Szene verstrickt gewesen sei.

Der Verfassungsschutz war vor allem wegen der Vernichtung von Akten zur Thüringer Neonazi-Szene in die Kritik geraten. Beim MAD geht es nun um mangelnde Information des Untersuchungsausschusses. Der Militär-Geheimdienst hatte das Dokument über die Mundlos-Befragung zwar schon vor Jahren vernichtet. Im vergangenen März tauchte der Vorgang wegen einer Anfrage vom sächsischen Verfassungsschutz aber wieder auf. Den Ausschuss informierte der MAD darüber aber nicht. Birkenheier sagte, sein Amt sei davon ausgegangen, dass die Dresdner Behörde das übernehme.

Mundlos war während seines Wehrdienstes aufgefallen, weil er rechtsextremistische Musik hörte. Später wurde er Mitglied des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU), der für zehn Morde verantwortlich gemacht wird.

Erst eine Anfrage des Grünen-Abgeordneten Hans-Christian Ströbele brachte ans Licht, dass Mundlos vom MAD befragt worden war. Im August tauchte beim Bundesamt für Verfassungsschutz auch das Protokoll zu der Befragung auf.

Der Ausschussvorsitzende Sebastian Edathy (SPD) sagte, das Material lege nahe, dass der MAD Mundlos als V-Mann habe anwerben wollen.

Die Ausschussmitglieder reagierten empört darauf, dass der MAD die Unterlagen nicht von sich aus offengelegt hatte. "Ich bin entsetzt", sagte Edathy. "Das wird Folgen haben müssen." Der Unions-Obmann Clemens Binninger (CDU) sagte, der Vorfall habe das Vertrauen der Ausschussmitglieder erschüttert. Die Linke-Obfrau Petra Pau sagte, sie fühle sich vom MAD belogen. Der Geheimdienst habe versichert, dass es keine Unterlagen zu Mundlos gebe. Auch der Grünen-Obmann Wolfgang Wieland beklagte, dass der MAD die Unterlagen bei Anfragen verschwiegen habe. "Unsere Empörung wächst von Stunde zu Stunde, je mehr wir erfahren, was da los gewesen ist." dpa

Foto: Gambarini/dpa

Meinung

Ein Skandal erster Güte?

Von SZ-Korrespondent

Stefan Vetter

Es wäre ein Skandal erster Güte: Bislang hatten die deutschen Sicherheitsbehörden stets die Frage verneint, ob sie jemals Mitglieder des "Nationalsozialistischen Untergrunds" als Informanten angeworben hätten. Nun liefert der NSU-Untersuchungsausschuss Hinweise für das Gegenteil: Der Militärische Abschirmdienst MAD versuchte offenbar, den braunen Terroristen Uwe Mundlos als Informanten zu gewinnen. Offenbar hat auch hier wieder einmal die linke Hand nicht gewusst, was die rechte tat. Im Zusammenhang mit der Neonazi-Mordserie steckt nun also nicht nur der Verfassungsschutz in akuter Erklärungsnot. Beim MAD ging es offenbar ebenfalls drunter und drüber. Der Untersuchungsschuss muss auch hier aufklären. Gut, dass es ihn gibt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort