Merkels Mut gegen Seehofers Wut

Zwei Welten. In einer Union. Hier die CDU mit Parteichefin Angela Merkel, die mit ihrem "Wir schaffen das" bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise mutig ein Zeichen gesetzt hat. Auf der anderen Seite die Schwesterpartei CSU . Deren Vorsitzender Horst Seehofer spricht im "Spiegel" öffentlich vom Scheitern: "Wir kommen bald in eine nicht mehr zu beherrschende Notlage." Ein Riss geht durch die Union. Jetzt, da sie so dringend Zusammenhalt braucht. Die maßgeblich von Merkel betriebene Öffnung der Grenzen für Tausende Flüchtlinge am vorigen Wochenende hat gezeigt, wie sich eine Stimmung im Land drehen kann, wenn die Regierung vorangeht. In wenigen Tagen wandelt sich das Bild vom ach so ängstlichen Deutschen zum offenherzigen Helfer. Der oft emotionslos wirkenden Kanzlerin fliegen seither im In- und Ausland die Herzen zu. Nach außen versucht Vize-Regierungssprecherin Christiane Wirtz am Freitag, so ruhig wie möglich auf die Seehofer-Attacke zu reagieren. Sie verweist darauf, dass er zusammen mit Merkel und SPD-Chef Sigmar Gabriel am vorigen Sonntag "in großer Einigkeit" den neuen Kurs in der Flüchtlingspolitik im Koalitionsausschuss beschlossen habe. Die CDU aber ist alarmiert. In einer derartigen Bewährungsprobe für ein Land dürfe die Regierung nicht wanken, heißt es. Dabei ist es keineswegs so, dass die Christdemokraten nicht ebenfalls besorgt sind und vielleicht sogar ein wenig Angst vor der eigenen Courage bekommen - beziehungsweise vor der Courage der Vorsitzenden. Aber Seehofer hätte im Interesse von Union, Regierung und Land vorsichtiger formulieren müssen, verlautet aus der Parteispitze. Der aber haut drauf. Zu Merkels Entscheidung, die Flüchtlinge - die meisten von ihnen Syrer - aus Ungarn nach Deutschland fahren zu lassen, sagt er: "Das war ein Fehler, der uns noch lange beschäftigen wird. Ich sehe keine Möglichkeit, den Stöpsel wieder auf die Flasche zu kriegen." Dafür lädt er Ungarns Ministerpräsidenten Viktor Orban nach Bayern ein. Den Mann, der sich als Anti-Europäer präsentiert. Bayerns Finanzminister Söder (CSU ) sieht im "Münchner Merkur " die "kulturelle Statik" in Deutschland bedroht. Und Ex-Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU ) behauptet in der "Passauer Neuen Presse" gar: "Wir haben die Kontrolle verloren." Unter den Flüchtlingen sind nach seiner Vermutung auch IS-Kämpfer. Das alles dürfte vielen Menschen in Deutschland Angst machen. Genau das will die Merkel-CDU verhindern. Innenministeriumssprecher Tobias Plate sagt, es sei nicht hilfreich, "wenn man jetzt gegenüber flüchtenden Menschen den Generalverdacht äußert, dass Terroristen in großer Zahl unter ihnen seien. Das sind Menschen, die aus Angst und Furcht um ihr Leben ihre gesamte Habe zurückgelassen haben, die teilweise Furchtbares erlebt haben". Merkel redet die Sorgen nicht klein und beschönigt sie auch nicht. Sie fordert eine faire Verteilung der Flüchtlinge in Europa, kündigt konsequente Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber an und ermahnt die Bleibenden, dass sie sich an deutsche Regeln zu halten hätten. Eigentlich steht die CSU ja seit langem fest an der Merkels Seite. Doch Bayern kommt mit der Flüchtlingsaufnahme zunehmend an seine Grenzen - auch, weil sich bis zuletzt noch keine weitere Stadt in Deutschland bereit erklärt hatte, die Verteilung von Flüchtlingen mit zu übernehmen und damit München zu entlasten. Auch deshalb findet die CSU derart deutlich Töne gegenüber Merkel. Denn so gern Seehofer Merkels Erfolge teilt - negative Auswirkungen der Bundespolitik möchte er nicht gern ausbaden. 40 000 Flüchtlinge sind seit einer Woche in Bayern angekommen. Und allein an diesem Wochenende werde die Ankunft von weiteren 40 000 erwartet - sagt Frank-Walter Steinmeier (SPD ). Der Außenminister spricht davon, dass die deutschen Möglichkeiten "immer enger" würden. Im Kern benennt die SPD die Probleme wie die CSU - nur, sie spitzt eben nicht noch mehr zu. Noch ist eine deutliche Mehrheit der Bürger laut ZDF-"Politbarometer" mit der jetzigen Flüchtlingspolitik einverstanden: 66 Prozent. Auch die derzeit unangefochtene Kanzlerin braucht den Rückhalt der Bevölkerung. Sie sagt immer, Angst sei ein schlechter Ratgeber. Darüber sollte sie mit Seehofer sprechen.

Zwei Welten. In einer Union. Hier die CDU mit Parteichefin Angela Merkel, die mit ihrem "Wir schaffen das" bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise mutig ein Zeichen gesetzt hat. Auf der anderen Seite die Schwesterpartei CSU . Deren Vorsitzender Horst Seehofer spricht im "Spiegel" öffentlich vom Scheitern: "Wir kommen bald in eine nicht mehr zu beherrschende Notlage." Ein Riss geht durch die Union. Jetzt, da sie so dringend Zusammenhalt braucht.

Die maßgeblich von Merkel betriebene Öffnung der Grenzen für Tausende Flüchtlinge am vorigen Wochenende hat gezeigt, wie sich eine Stimmung im Land drehen kann, wenn die Regierung vorangeht. In wenigen Tagen wandelt sich das Bild vom ach so ängstlichen Deutschen zum offenherzigen Helfer. Der oft emotionslos wirkenden Kanzlerin fliegen seither im In- und Ausland die Herzen zu.

Nach außen versucht Vize-Regierungssprecherin Christiane Wirtz am Freitag, so ruhig wie möglich auf die Seehofer-Attacke zu reagieren. Sie verweist darauf, dass er zusammen mit Merkel und SPD-Chef Sigmar Gabriel am vorigen Sonntag "in großer Einigkeit" den neuen Kurs in der Flüchtlingspolitik im Koalitionsausschuss beschlossen habe. Die CDU aber ist alarmiert. In einer derartigen Bewährungsprobe für ein Land dürfe die Regierung nicht wanken, heißt es.

Dabei ist es keineswegs so, dass die Christdemokraten nicht ebenfalls besorgt sind und vielleicht sogar ein wenig Angst vor der eigenen Courage bekommen - beziehungsweise vor der Courage der Vorsitzenden. Aber Seehofer hätte im Interesse von Union, Regierung und Land vorsichtiger formulieren müssen, verlautet aus der Parteispitze. Der aber haut drauf. Zu Merkels Entscheidung, die Flüchtlinge - die meisten von ihnen Syrer - aus Ungarn nach Deutschland fahren zu lassen, sagt er: "Das war ein Fehler, der uns noch lange beschäftigen wird. Ich sehe keine Möglichkeit, den Stöpsel wieder auf die Flasche zu kriegen." Dafür lädt er Ungarns Ministerpräsidenten Viktor Orban nach Bayern ein. Den Mann, der sich als Anti-Europäer präsentiert.

Bayerns Finanzminister Söder (CSU ) sieht im "Münchner Merkur " die "kulturelle Statik" in Deutschland bedroht. Und Ex-Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU ) behauptet in der "Passauer Neuen Presse" gar: "Wir haben die Kontrolle verloren." Unter den Flüchtlingen sind nach seiner Vermutung auch IS-Kämpfer. Das alles dürfte vielen Menschen in Deutschland Angst machen. Genau das will die Merkel-CDU verhindern. Innenministeriumssprecher Tobias Plate sagt, es sei nicht hilfreich, "wenn man jetzt gegenüber flüchtenden Menschen den Generalverdacht äußert, dass Terroristen in großer Zahl unter ihnen seien. Das sind Menschen, die aus Angst und Furcht um ihr Leben ihre gesamte Habe zurückgelassen haben, die teilweise Furchtbares erlebt haben".

Merkel redet die Sorgen nicht klein und beschönigt sie auch nicht. Sie fordert eine faire Verteilung der Flüchtlinge in Europa, kündigt konsequente Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber an und ermahnt die Bleibenden, dass sie sich an deutsche Regeln zu halten hätten.

Eigentlich steht die CSU ja seit langem fest an der Merkels Seite. Doch Bayern kommt mit der Flüchtlingsaufnahme zunehmend an seine Grenzen - auch, weil sich bis zuletzt noch keine weitere Stadt in Deutschland bereit erklärt hatte, die Verteilung von Flüchtlingen mit zu übernehmen und damit München zu entlasten. Auch deshalb findet die CSU derart deutlich Töne gegenüber Merkel. Denn so gern Seehofer Merkels Erfolge teilt - negative Auswirkungen der Bundespolitik möchte er nicht gern ausbaden.

40 000 Flüchtlinge sind seit einer Woche in Bayern angekommen. Und allein an diesem Wochenende werde die Ankunft von weiteren 40 000 erwartet - sagt Frank-Walter Steinmeier (SPD ). Der Außenminister spricht davon, dass die deutschen Möglichkeiten "immer enger" würden. Im Kern benennt die SPD die Probleme wie die CSU - nur, sie spitzt eben nicht noch mehr zu.

Noch ist eine deutliche Mehrheit der Bürger laut ZDF-"Politbarometer" mit der jetzigen Flüchtlingspolitik einverstanden: 66 Prozent. Auch die derzeit unangefochtene Kanzlerin braucht den Rückhalt der Bevölkerung. Sie sagt immer, Angst sei ein schlechter Ratgeber. Darüber sollte sie mit Seehofer sprechen.

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HintergrundSeit Jahresbeginn sind nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration mehr als 430 000 Flüchtlinge über das Mittelmeer nach Europa gelangt. Fast 2750 weitere seien auf der Überfahrt ums Leben gekommen oder gälten als vermisst, erklärte die Organisation am Freitag. Den Zahlen zufolge landeten fast 310 000 der Mittelmeerflüchtlinge in Griechenland, mehr als 120 000 kamen in Italien an. In 2014 kamen rund 219 000 Flüchtlinge über das Mittelmeer. dpa Werden Menschen in ihrer Heimat politisch verfolgt, können sie in einem fremden Land um Asyl bitten. In Deutschland wird das Recht auf Asyl nicht nur aufgrund der völkerrechtlichen Verpflichtung aus der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 gewährt, sondern ist im Grundgesetz (Artikel 16a) festgeschrieben: "Politisch Verfolgte genießen Asylrecht ." Allerdings kann sich nicht auf das Grundrecht auf Asyl berufen, wer aus einem "sicheren Herkunftsland" kommt, also Länder, bei denen "gewährleistet erscheint, dass dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet". dpa Die ungarische Kamerafrau, die beim Filmen von Flüchtlingen im Süden Ungarns gegen Kinder getreten hatte, hat den Vorfall bedauert. Sie sei "keine herzlose, Kinder tretende Rassistin", schrieb sie am Freitag an die konservative Zeitung "Magyar Nemzet". Von anderen Journalisten gedrehte Videos zeigten, wie die 40-Jährige am Dienstag einem Flüchtling mit einem Kind im Arm ein Bein stellte, worauf dieser samt Kind zu Boden fiel. Weiter war zu sehen, wie sie einem kleinen Mädchen gegen das Schienbein trat. dpa

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