Merkel will Debatte um Zuwanderung entschärfen

Berlin · Der CSU-Vorstoß für schärfere Regeln gegen Armutszuwanderer hat einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Nachdem auch in der CDU die Kritik lauter wird, schaltet sich die Kanzlerin ein.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bemüht sich angesichts immer schrillerer Töne auch in den eigenen Reihen darum, den Streit um schärfere Regeln gegen Armutszuwanderer zu versachlichen. Merkel habe mit SPD-Chef Sigmar Gabriel telefoniert und vereinbart, am Mittwoch im Kabinett einen Staatssekretärs-Ausschuss einzusetzen, sagte gestern der stellvertretende Regierungssprecher Georg Streiter. Das Gremium werde klären, "ob und welche operativen Maßnahmen die zuständigen Ressorts gegen den möglichen Missbrauch von Sozialleistungen veranlassen können". Die Kommunen forderten erneut konkrete Hilfe bei Unterbringungsproblemen.

Der Ausschuss werde sich voraussichtlich aus Staatssekretären des Außen-, Innen- sowie des Arbeits- und Sozialministeriums zusammensetzen, ergänzte Streiter. Das Gremium soll die Gesetzeslage durchforsten und schauen, wo Missbrauch möglich ist. Festlegungen über einzelne Maßnahmen gebe es nicht, sagte er auch angesichts von Forderungen des CDU-Europapolitikers Elmar Brok, zur Verhinderung von Sozialhilfebetrug im Wiederholungsfall Fingerabdrücke zu nehmen. Vom CDU-Sozialflügel, der CSU, den Grünen und dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) kam breite Kritik an Broks Vorschlag. In Regierungskreisen hieß es zu dem, im Ausländerzentralregister sei schon eine Speicherung von Passbildern nicht mehr vorgesehen. Der Europäische Gerichtshof hatte dies in einer Entscheidung von 2008 für EU-Bürger als diskriminierend angesehen. Das müsse dann erst recht für die Speicherung von Fingerabdrücken gelten.

Brok hatte der "Bild"-Zeitung gesagt: "Zuwanderer, die nur wegen Hartz IV, Kindergeld und Krankenversicherung nach Deutschland kommen, müssen schnell zurück in ihre Heimatländer geschickt werden. Um Mehrfacheinreisen zu verhindern, sollte man darüber nachdenken, Fingerabdrücke zu nehmen." Brok präzisierte später im dpa-Gespräch: "Die Freizügigkeit in der EU ist ein großer Gewinn für Deutschland und Europa. Die EU hat auch die rechtlichen Grundlagen zur Verhinderung von Missbrauch geliefert." Er ergänzte: "Erkennungsdienstliche Maßnahmen wie zum Beispiel die Abnahme von Fingerabdrücken müssen so gestaltet werden, dass sie ausschließlich auf mehrfache Missbrauchsfälle angewendet werden können."

EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) erteilte schärferen Regeln gegen Armutszuwanderung eine Absage. "Die Freizügigkeit für die Bürger in Europa ist eine große Errungenschaft, die wir nicht leichtfertig aufgeben dürfen", sagte er dem "Focus".

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