Merkel treibt Börsensteuer voran Fonds drohen mit Menschenrechtsklage

Berlin. In der Debatte über eine europaweite Finanztransaktionssteuer hat Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) eine Börsenabgabe nach britischem Vorbild gefordert. "Wir sollten darüber nachdenken, ob es nicht einen Weg gibt, Großbritannien mit ins Boot zu holen", sagte der FDP-Chef und Vizekanzler der "Rheinischen Post"

 Börsengeschäfte sollen nach dem Willen Merkels und Sarkozys mit Steuern belegt werden. Foto: Argus

Börsengeschäfte sollen nach dem Willen Merkels und Sarkozys mit Steuern belegt werden. Foto: Argus

Berlin. In der Debatte über eine europaweite Finanztransaktionssteuer hat Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) eine Börsenabgabe nach britischem Vorbild gefordert. "Wir sollten darüber nachdenken, ob es nicht einen Weg gibt, Großbritannien mit ins Boot zu holen", sagte der FDP-Chef und Vizekanzler der "Rheinischen Post". Die Briten hätten bereits eine besondere Form der Börsenumsatzsteuer, die sogenannte Stempelsteuer.Kritiker bemängeln aber, dass diese Börsenumsatzsteuer nur den Handel mit Aktien sowie einigen anderen Wertpapieren mit einer Steuer belegt und damit nur einen Bruchteil des Marktes erfasst. Die Finanztransaktionssteuer, wie sie die EU-Kommission vorschlägt, würde dagegen alle Finanzmarktgeschäfte erfassen, auch reine Geldmarktgeschäfte oder den Handel mit Derivaten und anderen als besonders spekulativ geltenden Papieren.

Die FDP lehnt nach wie vor die Einführung einer Finanztransaktionssteuer nur in den 17 Euro-Ländern ab und fordert, dass die umstrittene Abgabe auf Börsenumsätze in allen 27 EU-Staaten erhoben wird. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hingegen hält angesichts des Widerstands von Großbritannien eine Einführung notfalls nur in der Euro-Zone für machbar.

Ungeachtet der Differenzen mit der FDP treibt Merkel die Pläne voran. Vor dem EU-Sondergipfel Ende Januar bekräftigen Deutschland und Frankreich, dass sie den Vorschlag der EU-Kommission für die Transaktionssteuer in Europa stützen. Das geht nach Angaben der "Süddeutschen Zeitung" aus einem gemeinsamen Papier beider Regierungen hervor. Zugleich schlagen Berlin und Paris darin einen Sechs-Punkte-Plan für mehr Wachstum und Beschäftigung vor.

Die EU-Kommission hatte im Herbst einen Vorschlag für eine Finanztransaktionssteuer in allen 27 EU-Staaten vorgestellt. Die Abgabe ab 2014 soll auf Transaktionen erhoben werden, wenn ein Akteur in der EU ansässig ist. Der Handel mit Anteilen und Anleihen würde mit einem Satz von 0,1 Prozent, Derivate mit 0,01 Prozent besteuert. Brüssel erhofft jährliche Einnahmen von etwa 57 Milliarden Euro.

In FDP-Kreisen wurde bestritten, dass das Brüsseler Konzept so angelegt sei, dass die Steuer bei anhaltendem Widerstand etwa aus Großbritannien auch nur in den Euro-Ländern realisiert werden könnte.

Gestern Abend wollte Merkel mit den Regierungschefs von Portugal, Schweden und Österreich zu Beratungen zusammenkommen. Bei dem Treffen im Gästehaus der Bundesregierung, Schloss Meseberg bei Berlin, geht es auch um den EU-Fiskalpakt, der schärfere Haushaltsregeln vorsieht. dpa/afp

Athen/New York. Ausgerechnet in der Schlussphase der Verhandlungen über einen Schuldenschnitt Griechenlands gibt es neues Störfeuer. Hedge-Fonds drohen einem Zeitungsbericht zufolge mit einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, sollten sie per Gesetz zu einem Verzicht gezwungen werden. Die "New York Times" beruft sich auf Gespräche zwischen den Investoren und ihren Anwälten. Ausgangspunkt für eine Klage in Straßburg könnte eine mögliche Verletzung des Eigentumsrechts sein, das in Europa als Menschenrecht gilt. Hintergrund des Plans der als aggressiv geltenden Investoren ist die Drohung Athens, möglicherweise private Gläubiger gesetzlich zu einem Forderungsverzicht zu zwingen.

Trotz des Streits mit den Fonds verdichteten sich gestern Mittag in Athen die Anzeichen dafür, dass rasch eine Einigung mit den Banken über den dringend benötigten freiwilligen Schuldenschnitt gefunden sein könnte. Ministerpräsident Lucas Papademos werde möglicherweise am Abend "eine Erklärung im Fernsehen abgeben", sagte ein Sprecher des griechischen Regierungschefs. Der Euro-Sorgenfall Griechenland ist auf einen Schuldenschnitt dringend angewiesen, um eine Staatspleite abzuwenden. Den teilweisen Schuldenerlass in Höhe von 50 Prozent sollen private Gläubiger wie Banken, Versicherungen und eben Hedge-Fonds freiwillig schultern.

Positive Nachrichten gab es gestern von Frankreich, Spanien und Irland. Obwohl Frankreich seine Top-Bonität verloren hat, griffen Investoren bei der Versteigerung von Anleihen mit Laufzeiten bis 2014, 2015 und 2016 beherzt zu. Frankreich sammelte problemlos knapp acht Milliarden Euro ein - und das zu einem niedrigeren Zins als zuvor.

Eine Auktion spanischer Anleihen spülte 6,6 Milliarden Euro in die Staatskasse. Damit wurde das Ziel von 4,5 Milliarden Euro deutlich übertroffen. Die Zinsen gingen im Vergleich zu einer ähnlichen Auktion im November von 6,97 auf 5,40 Prozent zurück. Irland, 2010 vom EU-Rettungsschirm vor der Staatspleite gerettet, ist wieder in der Spur. Alle von der EU-Kommission, der Europäischen Zentralbank und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) vorgegebenen Haushaltsziele für das Jahr 2011 seien erfüllt worden. Das teilten die als "Troika" bezeichneten Geldgeber gestern mit. dpa

Hintergrund

Aus der Finanzbranche kam gestern ein positives Signal: Die Vorsichtskasse der Banken des Euro-Raums bei der EZB sank gestern deutlich. Sie lag bei 395,3 Milliarden Euro und damit das erste Mal in diesem Jahr unter der Schwelle von 400 Milliarden Euro. Hohe Beträge signalisieren grundsätzlich ein großes Misstrauen der Banken untereinander. Am Dienstag lag die Summe noch bei über 500 Milliarden Euro.

Schlechte Nachrichten dagegen aus den USA: Der Internationale Währungsfonds (IWF) muss bei der geplanten Erhöhung seiner finanziellen Schlagkraft gegen die Euro-Krise offensichtlich auf die Hilfe der USA verzichten. Die Regierung in Washington bekräftigte, dem IWF kein weiteres Geld zur Verfügung stellen zu wollen. dpa

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