Mehr Gewalt gegen Kinder in Deutschland

Berlin/Saarbrücken · Nach drastischen Fällen tödlicher Vernachlässigung wollte die Politik durch frühe Hilfen für Problemfamilien die Kinder besser schützen. Doch die Zahl der kleinen Todesopfer von Gewalt steigt weiter an.

Schockierende Zahlen: In Deutschland sind im vergangenen Jahr 130 Kinder Opfer eines Tötungsdelikts geworden. Das sind rund 20 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Über die Hälfte (68 Fälle) waren fahrlässige Tötungen etwa durch Vernachlässigung oder Aufsichtspflichtverletzungen. Dazu kamen 16 Morde und 38 Totschlagsverbrechen. Das zeigt eine Statistik des Bundeskriminalamtes (BKA), die gestern vorgestellt wurde. Im Saarland starben im vergangenen Jahr drei Kinder durch eine Straftat, im Jahr zuvor waren es zwei.

"Kinder werden täglich misshandelt, vernachlässigt, sexuell missbraucht und die Bilder des Missbrauchs im Internet veröffentlicht. Kinderpornografie ist ein Massenphänomen", bilanzierte BKA-Präsident Holger Münch. Als Gegenmaßnahmen empfahl er eine engere Zusammenarbeit der Behörden, mehr Wachsamkeit im persönlichen Umfeld der Kinder, aber auch ihre bessere Aufklärung, um beispielsweise pädophilen Tätern im Internet schneller auf die Spur zu kommen.

Eigentlich sollte das seit vier Jahren geltende Bundeskinderschutzgesetz für frühe Hilfen in Problemfamilien sorgen. Allein 85 der 130 getöteten Kinder waren allerdings jünger als drei Jahre alt. Da stelle sich schon die Frage, ob das Gesetz, das besonders auf diese Altersgruppe ziele, wirklich so gut sei wie politisch dargestellt, hieß es gestern bei der Deutschen Kinderhilfe.

Zwar reduzierte sich im vergangenen Jahr die Zahl körperlicher Misshandlungen um sechs Prozent. Doch waren davon immer noch 3929 Kinder betroffen. Auch die Anzahl der sexuellen Gewaltdelikte ging bundesweit auf 13 928 Fälle leicht zurück. Im Saarland schnellte die Zahl dagegen von 121 auf 162 nach oben. Und Experten gehen davon aus, dass sich hinter jedem statistisch erfassten Fall fünf weitere Gewaltopfer verbergen.

Kathinka Beckmann, Sozialwissenschaftlerin an der Fachhochschule Koblenz , beklagte gestern einen Mangel an Familienhebammen, die das Kindeswohl schützen sollen. > e

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