"Mehr Attraktivität gibt es nicht umsonst"

Die Wehrpflicht soll ausgesetzt werden. Was halten Sie davon? Kirsch: Das kommt der Abschaffung schon ziemlich nahe, für die man eine Zweidrittel-Mehrheit im Bundestag gebraucht hätte, die es im Moment aber nicht gibt. Die zentrale Frage ist jetzt, wie man für die geplante Armee aus Zeit- und Berufssoldaten genug qualifizierte Leute gewinnen kann

Die Wehrpflicht soll ausgesetzt werden. Was halten Sie davon?Kirsch: Das kommt der Abschaffung schon ziemlich nahe, für die man eine Zweidrittel-Mehrheit im Bundestag gebraucht hätte, die es im Moment aber nicht gibt. Die zentrale Frage ist jetzt, wie man für die geplante Armee aus Zeit- und Berufssoldaten genug qualifizierte Leute gewinnen kann.Immerhin 165 000 sollen es sein. Wie kriegt man die? Kirsch: Indem man die Streitkräfte attraktiver macht, als sie heute sind. Die jungen Männer und Frauen, die zur Bundeswehr gehen, müssen zu Hause und im Freundeskreis sagen können: Das ist ein guter Arbeitgeber, da kümmert man sich um dich, da stimmt auch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie . . . . . . und das Gehalt.Kirsch: Und man muss dort vernünftig verdienen. Die Bundeswehr steht als Arbeitgeber mit der Wirtschaft im Wettbewerb. Wir vom Bundeswehr-Verband habe eine Attraktivitäts-Agenda erarbeit, Vorschläge zur Steigerung der Attraktivität des Arbeitsplatzes Bundeswehr. Aber ich sage gleich: Das gibt es nicht umsonst.Das Ziel der Reform sind Einsparungen von acht Milliarden Euro in vier Jahren. Das ist dann ja wohl nicht mehr zu erreichen.Kirsch: Das ist gut denkbar. Unsere Vorschläge kosten ungefähr eine Milliarde Euro pro Jahr. Aber wenn man das nicht macht, wird man nicht genug Leute finden. Dann scheitert die Reform daran.Es ist erstaunlich, wie leicht Sie sich schon von der Wehrpflicht verabschieden.Kirsch: Ganz und gar nicht. Aber die Koalition hat den Wehrdienst zuletzt auf sechs Monate verkürzt. Da macht die Wehrpflicht keinen Sinn mehr. Ich halte es für sehr notwendig, dass Politik und Gesellschaft jetzt noch einmal breit über die Wehrpflicht diskutieren.Sind mit 165 000 Soldaten die Auslandseinsätze und internationalen Verpflichtungen Deutschlands noch zu bewältigen?Kirsch: Das ist schon sehr knapp. Im Moment stoßen wir zum Beispiel in Afghanistan bei den Infanteriekräften schon an die Decke, weil wir nicht genügend haben. Sicherheitspolitik sollte man nie nach Kassenlage machen, sondern von den sicherheitspolitischen Herausforderungen ableiten. Im Moment ist diese Ableitung für mich noch nicht konkret genug, um eine solche Streitkräftereduzierung zu begründen. Sondern hier diktiert das Geld die Pläne. Ich hoffe, dass der Bundestag darüber noch einmal intensiv debattiert, zumal sich die Rahmenbedingungen mit der Erholung der Wirtschaft wieder gebessert haben.

HintergrundBundespräsident Christian Wulff hat vor zu großen Einsparungen bei der Bundeswehr gewarnt. Die Soldaten müssten sich darauf verlassen können, "dass die Streitkräfte auch künftig das erhalten, was sie zu einer erfolgreichen Erfüllung ihrer Aufträge benötigen", sagte das Staatsoberhaupt am Freitag. Zugleich unterstrich Wulff die Notwendigkeit von Auslandseinsätzen. Diese seien gedeckt durch das Völkerrecht und die Beschlüsse des Bundestages. Wulff sprach bei der Vereidigung von Offiziersanwärtern in der vor 100 Jahren gegründeten Marineschule Mürwik. dpa

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