Mega-Stau wird in den USA zum Politikum

New York · Eine unglaubliche Geschichte droht Chris Christie, den Favoriten der Republikaner für die US-Präsidentenwahl 2016, zu entzaubern, bevor der Wahlkampf überhaupt begonnen hat. Oder ist es alles nur ein Sturm im Wasserglas?

Wollte man eine Liste der Nadelöhre des US-Straßenverkehrs anlegen, die Washington-Bridge nach New York rangierte ziemlich weit oben. Die dortige Blechlawine kommt nur selten über Schritttempo hinaus. Im Schatten der Brücke liegt Fort Lee, eine Schlafstadt für Pendler. Was in Fort Lee los gewesen sein muss, als der Highway zur Washington-Bridge an vier Tagen im September bis auf eine Spur gesperrt war, kann man sich ausmalen, wenn man eine E-Mail des Bürgermeisters liest. "Helft bitte! Es lässt einen wahnsinnig werden", flehte Mark Sokolich bei der zuständigen Behörde.

Vier Monate später wird die Sache zum Politikum. Es geht um die eigentlich skurril klingende Frage, ob sich Chris Christie, Gouverneur des Staates New Jersey und großer Hoffnungsträger der Republikaner für die US-Präsidentenwahl 2016, an einem aufsässigen Lokalpolitiker rächte, indem er einen Mega-Stau organisieren ließ. Noch beteuert Christie, von alledem nichts gewusst zu haben. Was stimmen kann, ihn aber dennoch in Erklärungsnot bringt: Wieso hatte er seinen Laden dann nicht besser im Griff?

Begonnen hatte alles im August, mit einer E-Mail, die Christies stellvertretende Stabschefin an David Wildstein schickte, einen alten Freund des Politikers, aufgestiegen auf einen Spitzenposten im Verkehrsamt. "Zeit für ein paar Verkehrsprobleme in Fort Lee?", schrieb die Beamte, nachdem Sokolich, besagter Bürgermeister, zur herbstlichen Gouverneurswahl nicht Christie empfohlen hatte, sondern dessen Rivalin, die Demokratin Barbara Buono. "Habe begriffen", erwiderte Wildstein. Vier Wochen später waren zwei von drei Fahrbahnen dicht, nach offizieller Version wegen einer unaufschiebbaren Studie. Schulbusse schafften es nicht pünktlich zum Unterricht, Krankenwagen blieben trotz Blaulichts stecken. In einem Fall starb eine Frau, die länger als üblich auf die Rettungssanitäter warten musste, nach einem Herzinfarkt im Krankenhaus. Als fast nichts mehr ging in Fort Lee, flimmerte bei Wildstein die Mail eines Mitwissers über den Schirm. "Ist es falsch, dass ich lächle?", fragte ein Absender mit noch ungeklärter Identität, nachdem Sokolich sein Leid über die Kinder in den Schulbussen geklagt hatte. Darauf Christies Kumpel: "Nein, das sind die Kinder von Buono-Wählern."

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