Marathon mit Maß und Mitte

Perl liegt grau im Winterschlaf. Selbst der Presse-Rummel auf Schloss Berg scheint am Samstagvormittag die kleine Moselgemeinde an der luxemburgischen Grenze nicht wachzurütteln. Dem CDU-Bundesvorstand dürfte indes die Ruhe bei ihrer Klausurtagung entgegengekommen sein. Als Angela Merkel, sekundiert von Saar-Ministerpräsidentin und Präsidiumsmitglied Annegret Kramp-Karrenbauer , gegen Mittag vor die Journalisten tritt, gibt die Kanzlerin - mehr als in den vergangenen Monaten - auch die Parteichefin. Fast schon ungewohnt bekommt der Koalitionspartner SPD ein paar Spitzen ab. Zum möglichen Kanzlerkandidaten der Genossen, Sigmar Gabriel , verweigert Merkel allerdings jeden konkreten Kommentar: "Wen andere Parteien als Spitzenkandidaten aufstellen, ist Sache jeder Partei." Dennoch: Die Christdemokraten sind im Wahlkampf-Modus - in Perl wurde am Wochenende zum Auftakt geblasen. Die Kanzlerin muss schnell aus der Reserve kommen, viel Zeit bleibt nicht im Marathon-Wahljahr. Die Saarländer werden bereits Ende März ihr Landesparlament wählen.

 Annegret Kramp-Karrenbauer (links) bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Kanzlerin Angela Merkel in Perl. Foto: Dietze/dpa

Annegret Kramp-Karrenbauer (links) bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Kanzlerin Angela Merkel in Perl. Foto: Dietze/dpa

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Nach dem katastrophalen islamistischen Anschlag auf dem Weihnachtmarkt in Berlin hat das Thema Sicherheit freilich Priorität. Den Rechtspopulisten der AfD mit ihren schlichten Botschaften dabei völlig den Wind aus den Segeln zu nehmen, dürfte für die CDU dennoch nicht einfach sein. Zumal die Schwesterpartei CSU etwa beim Thema Flüchtlingsobergrenze (Seehofer fordert ein Limit von 200 000 Migranten pro Jahr) nicht auf Linie zu bringen ist. Merkel hält indes stoisch ihren Kurs: Bei diesem Thema sei der Dissens mit der CSU nicht auszuräumen. "Was aber nicht bedeutet, dass wir nicht gemeinsam in einen Wahlkampf gehen können", versucht sie zu entschärfen.

Bei der Terror-Abwehr wirbt die Kanzlerin in Perl für die von Bundesinnenminister Thomas de Maizière vorgelegten Konzepte: "Da Terror keine Grenzen kennt", sagt sie, könne man sich innerhalb Deutschlands bei seiner Bekämpfung keinen schwachen Föderalismus leisten. Was bei de Maizière unter anderem heißt: Schleierfahndung (verdachtsunabhängige Personenkontrollen) bundesweit, also auch in SPD-regierten Bundesländern wie Bremen, Berlin und Nordrhein-Westfalen, die das bisher ablehnen. Stark macht sich CDU auch für schärfere Überwachung für Gefährder mit Hilfe einer elek tronischen Fußfessel und erleichterte Voraussetzungen für die Abschiebehaft. Maßnahmen, die gestern auch Saar-Innenminister Klaus Bouillon (CDU ) erneut anmahnte.

Von SPD , Grünen und Linken im Bundestag fordern die CDU-Spitzen, den Weg für die Anerkennung von Tunesien, Marokko und Algerien als sichere Herkunftsstaaten freizumachen, um die Verfahren zu beschleunigen. Alles in allem aber scheint Merkels Weg ganz der alte: Wogen glätten, Ruhe und Sachlichkeit in den öffentlichen Diskurs bringen. Mit Pragmatismus, mit "Maß und Mitte" will die CDU im Wahlkampf der von polternden Populisten geschürten Verunsicherung begegnen. "Ruhige, sachliche Antworten auf Fragen (geben), die im Raum stehen", wie es Merkel selbst ausdrückt.

Das Heraufbeschwören altbewährter Werte und Konzepte soll offenbar Stammwähler bei der Stange halten - oder einmal mehr Unentschlossene überzeugen. So jedenfalls legt es die Saarländische Erklärung der CDU-Spitze nahe: Soziale Marktwirtschaft als Basis für Wohlstand , sichere Arbeitsplätze mit Vollbeschäftigung, bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf und die "Absicherung der großen Lebensrisiken zur Würde des Menschen". Und auch beim ausgeglichenen Haushalt soll es in den kommenden Jahren bleiben. Alles wie gehabt eben, nur von einigem ein bisschen mehr. So etwa bei Forschung, Umwelt, Erneuerbaren Energien und der Digitalisierung. Auch das Bekenntnis zu "Wachstum und Wohlstand " für Europa darf in der CDU-Agenda nicht fehlen.

Da liegt freilich auch das Thema Maut nicht fern. In Perl, "mitten im Herzen Europas", spricht Kramp-Karrenbauer noch einmal den Wunsch nach einer besonderen Regelung für die Grenzregion an. Bekommt von Merkel allerdings nur eine kryptische Antwort: Es werde noch einmal Gespräche geben. "Wir sind noch ein Stück von der Einführung einer Maut entfernt."

Meinung:

Etwas mehr Emotion

Von SZ-Redakteurin Iris Neu-Michalik

Maß und Mitte hat sich die CDU im Wahlkampf auf die Fahnen geschrieben. Das ist das Credo ihrer Chefin seit jeher und ganz und gar nicht neu. Polarisierung, Zuspitzung ist mit Merkel nicht. Das hat Deutschland unter ihrer Regentschaft bei so ziemlich allen Themen erfahren. Als Physikerin ist ihr das Rationale ohnehin auf den Leib geschneidert. Besonnene, transparente Antworten auf komplexe Fragestellungen in aufgebrachten Zeiten zu geben, ist eigentlich auch nur begrüßenswert - wenn es die Kanzlerin selbst denn auch täte. Vor dem Hintergrund der pöbelnden Rechtspopulisten wirken ihre Antworten häufig umso formelhafter, kryptischer. Das eine tun, das andere nicht lassen, möchte man daher raten. Wähler brauchen neben ruhigen, sachlichen Antworten auch Politiker, die sie leidenschaftlich vertreten. Das ist kein Widerspruch. Und auch keine Anpassung an populistische Attitüden. Um den hohlen, aber lautstarken Phrasen von AfD und Co. etwas entgegenzusetzen, hilft (dosierte) Emotion der Glaubwürdigkeit auf die Sprünge.

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