Linkes Lager gewinnt Wahlen in Frankreich

Paris. Wie mächtig wird Frankreichs neuer Präsident François Hollande wirklich? Das ist die eigentlich große Frage bei den Wahlen zur Nationalversammlung in Frankreich. Nach dem ersten Wahlgang gestern sieht es nach einem klaren Sieg für das linke Lager aus. Es wäre ein historischer Erfolg

Paris. Wie mächtig wird Frankreichs neuer Präsident François Hollande wirklich? Das ist die eigentlich große Frage bei den Wahlen zur Nationalversammlung in Frankreich. Nach dem ersten Wahlgang gestern sieht es nach einem klaren Sieg für das linke Lager aus. Es wäre ein historischer Erfolg. Nicht einmal während der knapp 14-jährigen Amtszeit des sozialistischen Präsidenten François Mitterrand hatten die Linken die Mehrheit in Nationalversammlung und Senat.Nach Hochrechnungen von gestern Abend entfielen bei der Parlamentswahl auf Hollandes Parti Socialiste (PS) rund 35 Prozent der Stimmen. Sie kann sich Hoffnungen auf mindestens 275 Sitze machen. Zusammen mit möglichen Koalitionspartnern wie den Grünen, die den Hochrechnungen zufolge auf zwölf bis 16 Sitze kommen, würde dies klar für die absolute Mehrheit reichen.

Die konservative UMP-Partei des abgewählten Präsidenten Nicolas Sarkozy schnitt mit einem Stimmanteil von rund 35 Prozent zwar überraschend stark ab, muss sich mangels geeigneter Koalitionspartner allerdings auf den Gang in die Opposition einstellen. Ihr wurden gestern Abend Chancen auf maximal rund 270 Sitze eingeräumt.

Will Hollande das Land nach seinen Vorstellungen reformieren und nach jahrelanger konservativer Herrschaft auf Linkskurs bringen, ist eine Mehrheit in der ersten Parlamentskammer unabdingbar. "Ich werde den Wandel nur herbeiführen können, wenn ich in der Nationalversammlung eine Mehrheit habe", appellierte Hollande deswegen in Anspielung auf sein Wahlversprechen. "Groß, solide und konsistent" soll die Mehrheit sein. Im Senat haben hat die Linke bereits seit dem vergangenen Jahr eine Mehrheit.

Die deutsche Bundeskanzlerin dürfte in einer Woche ausnahmsweise nicht der CDU-Schwesterpartei UMP, sondern Hollande die Daumen drücke. Diplomaten in Paris berichten, dass sich Angela Merkel vor allem mit Blick auf die europäische Zusammenarbeit einen starken und handlungsfähigen französischen Präsidenten wünsche. Der im Falle einer Machtteilung (Cohabitation) drohende politische Stillstand sei angesichts der Eurokrise ein unschönes Szenario, heißt es. Zuletzt musste von 1997 bis 2002 Jacques Chirac eine Cohabitation mit einer Regierung aus dem gegnerischen Lager aushalten.

Die UMP sieht in der Cohabitation natürlich keine Gefahr. Ohne ein Gegengewicht im Parlament werde Frankreich von den Sozialisten zugrunde gerichtet, warnten konservative Spitzenpolitiker. Die deutsch-französischen Beziehungen verschlechterten sich in einem Wahnsinnstempo, schimpfte beispielsweise Ex-Premierminister François Fillon. Gerade sie seien aber dafür verantwortlich gewesen, dass die Krise in der EU in den letzten Jahren nicht noch viel schlimmer ausgefallen sei.

In Regierungskreisen in Berlin und Paris wird aber erwartet, dass sich das Verhältnis zwischen Merkel und Hollande schon bald entspannen wird. Es gilt als sicher, dass der Franzose zuletzt vor allem aus wahlkampftaktischen Gründen gegen Deutschland stichelte. Sarkozys enge Beziehung zu Merkel kam bei vielen Franzosen nicht besonders gut an. In "Merkozy"-Karikaturen hing der kleine Franzose am Rockzipfel der Kanzlerin oder war ihr Schuljunge. dpa

Hintergrund

Rund 46 Millionen Franzosen waren aufgerufen, die 577 Sitze der Nationalversammlung, der ersten Parlamentskammer, neu zu bestimmen. Um bereits im ersten Wahlgang gewählt zu werden, brauchen die Kandidaten eine absolute Mehrheit in ihrem Wahlkreis. Dies schaffen jedoch nur die wenigsten. In den anderen Wahlkreisen gibt es am 17. Juni eine zweite Runde mit all jenen Kandidaten, die mindestens 12,5 Prozent der Stimmen der eingeschrieben Wähler erhielten. dpa

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