Leitartikel Wenn die Pegel steigen, steigt auch das Interesse der Politik

Starkregen, Ohnmacht, Fassungslosigkeit. Das Wasser hat sich seinen unheilvollen Weg gebahnt. Aus harmlosen Bächen sind Sturzbäche, aus teilweise schmalen Flüssen reißende Fluten geworden. Viele Menschen in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen haben ihr Hab und Gut verloren, zu viele auch ihr Leben.

 Kommentarkopf, Foto: Uwe Steinert

Kommentarkopf, Foto: Uwe Steinert

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Häuser sind weggespült, Dörfer verwüstet, Existenzen vernichtet. Das Wasser hat mit all seiner Kraft in Ortsstraßen Schutt aufgetürmt. Und Verzweiflung und viele Fragen gleich mit.

Noch haben die Aufräumarbeiten in den meisten Hochwassergebieten in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz nicht wirklich begonnen. Noch hat es weiter geregnet, noch wird nach Vermissten gesucht. Doch wenn der erste Schock überwunden ist und in den Straßen der Unrat zumindest beiseite geräumt ist, muss dieses Unwetter – Ursache und Folgen – komplett aufgearbeitet werden. Denn: Das nächste Hochwasser wird kommen. Ganz gewiss. Nichts hören, nichts sehen, nichts wissen – die gebündelte Ignoranz aus der Geschichte der drei Affen schützt vor Schaden nicht. Wir sollten es tatsächlich besser wissen, und danach handeln, auch wenn dieses Hochwasser wieder abgelaufen ist.

Der Klimawandel ist plötzlich nicht mehr abstrakt, keine bloße Vokabel mehr, sondern ganz konkret. Im Prinzip steht uns das (Hoch-)Wasser schon jetzt an der Oberkante der Unterlippe. Vor allem: Solche Hochwasser werden wiederkommen.

Über den Weltmeeren steigt die Verdunstung an. Mehr Ausstoß von Kohlendioxid macht die Erde wärmer. Wetterextreme nehmen zu. Auch in unseren Breiten, auch in hügeligen Regionen. Stadtplaner und Politik müssen gegensteuern. Die Versiegelung von Boden und Flächen muss zumindest stark gebremst, die Begradigung von Flüssen muss gestoppt werden. Flüsse brauchen Hochwasserauslaufzonen. Die Erkenntnisse dazu sind seit vielen Jahren da. Aber offenbar haben all die Hochwasser 1997 an der Oder, 2002 an Elbe und Mulde, 2016 in Bayern und auch jetzt wieder nicht gereicht, die Dämme in den Köpfen aufzuweichen. Hochwasserschutz ist Naturschutz.

Wenn die Wasserpegel steigen, steigt auch das Interesse der Politik am Hochwasserschutz. Plötzlich haben es in diesem Wahlkampf auch die lange bei diesem Thema zurückhaltenden Unionsparteien eilig damit, beim Tempo für mehr Klimaschutz zuzulegen. Kanzlerkandidat Armin Laschet weiß, dass ein solches Wetter, das als Unwetter eine Spur der Verwüstung auch in dem von ihm regierten Bundesland hinterlassen hat, seine Chancen wegspülen kann. Oben als Krisenmanager auf dem Deich oder mit den Stiefeln tief im Wasser? Das macht schon einen Unterschied. Dieser Wahlkampf ist nicht vorbei, die Wahl noch lange für niemanden gewonnen. Alle Kandidaten haben schon Fehler (nicht nur im Lebenslauf) gemacht. Eine nächste Bundesregierung wird an der Generations- und Zukunftsaufgabe Klimaschutz nicht vorbeikommen. Denn: Ein Totalschaden am Klima ließe sich nicht mehr reparieren. Mit keinem Klima-Paket in keinem Wahlkampf.

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