"Lebensmittel-Pranger" sorgt für Streit

Berlin. Es herrscht dicke Luft zwischen einigen Verbraucherpolitikern der schwarz-gelben Koalition und der zuständigen Bundesministerin Ilse Aigner (CSU, Foto: dpa). Grund dafür ist das geplante Internetportal für Lebensmittel. Verbraucher sollen sich darauf über Unternehmen beklagen können, von denen sie sich getäuscht fühlen

Berlin. Es herrscht dicke Luft zwischen einigen Verbraucherpolitikern der schwarz-gelben Koalition und der zuständigen Bundesministerin Ilse Aigner (CSU, Foto: dpa). Grund dafür ist das geplante Internetportal für Lebensmittel. Verbraucher sollen sich darauf über Unternehmen beklagen können, von denen sie sich getäuscht fühlen. Den Liberalen geht das zu weit, sie fordern den Verzicht auf den "Internet-Pranger", erklärte der Vorsitzende des Verbraucherausschusses, Hans-Michael Goldmann (FDP), der Saarbrücker Zeitung.

Schon in der letzten Sitzung des Verbraucherausschusses vor eineinhalb Wochen rasselten Aigner und einige Experten von Union und FDP offenbar zusammen. Das Portal gegen Lebensmittelschwindel sei dort von rebellierenden Koalitionspolitikern "zur Schnecke gemacht" worden, erinnert sich die Grüne Ulrike Höfken. Heute Vormittag treffen sich nun die schwarz-gelben Verbraucherpolitiker zur Koalitionsrunde. Dort soll der Streit erörtert werden.

Nach dem Willen der Ministerin soll das neue Internet-Portal "Klarheit und Wahrheit" Bürgern die Möglichkeit geben, subjektiv empfundene Täuschungen oder Irreführungen zu benennen und in Online-Foren mit Experten darüber zu diskutieren. Moderiert wird das Portal von den Verbraucherzentralen, die Wirtschaft soll die Chance haben, Stellungnahmen zu den Beschwerden abzugeben. Starten wird die Website Anfang nächstes Jahr. 300 000 Euro für drei Jahre wurden dafür bereits vom Ministerium locker gemacht.

Allein der Titel des Portals suggeriere eine generelle Verbrauchertäuschung, "die ich nicht sehe", beklagt Goldmann. "Das hat Frau Aigner ungeschickt platziert." Vielmehr würden in Deutschland die sichersten Lebensmittel mit klaren Etiketten-Hinweisen auf den Markt gebracht. Je nach Interessenlage könne künftig jeder Behauptungen aufstellen. Das Portal werde dadurch "zu einem wilden Beschwerdeszenario" mit möglicherweise gravierenden Folgen für die Hersteller. Außerdem habe Aigner ihre Pläne ohne gründliche Einbindung des Parlaments vorangetrieben. Goldmanns Fazit: "So, wie es jetzt angedacht ist, darf es nicht kommen. Der richtige Weg wäre, darauf zu verzichten." Ein Informations- und Aufklärungsportal, beispielsweise über grüne Gentechnik, allergene Stoffe oder die Ernährungspyramide, sei sinnvoller.

Die Grüne Ulrike Höfken warnt die Koalition nun davor, die Plattform weiter in Frage zu stellen. Verbrauchertäuschung müsse sichtbar gemacht werden. Aigner selbst versteht die Rüffel aus dem eigenen Lager nicht. "Die Kritik ist unbegründet", heißt es aus ihrem Ministerium. Das Portal werde so konzipiert, dass ein fairer Dialog zwischen Wirtschaft und Verbrauchern gewährleistet sei.

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