Leben ohne Gott: Katholiken treffen Atheisten

Leipzig · Glücklich ohne Gott? Beim Katholikentag im kirchenfernen Leipzig prallen Welten aufeinander. Und doch entdecken Christen und Konfessionslose Gemeinsamkeiten.

 Zum Nachtgebet in Leipzig kamen Hunderte Gläubige, wie diese Ministranten. Foto: Schmidt/dpa

Zum Nachtgebet in Leipzig kamen Hunderte Gläubige, wie diese Ministranten. Foto: Schmidt/dpa

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Die Geschichte ist überliefert: Studenten befragen für ein Forschungsprojekt junge Leute, ob diese eher atheistisch oder eher christlich seien. "Keines von beiden, normal halt", antwortet einer der Befragten in Leipzig . Eberhard Tiefensee erzählt die witzige Begebenheit bei einem Diskussionsforum auf dem Katholikentag. Der Religionsphilosoph beschäftigt sich quasi berufsmäßig mit Fragen wie "Kann man ohne Religion leben?"

Die wenigsten wird es überraschen, dass die Frage gerade in Leipzig , aber auch andernorts im Osten, wo sich die Menschen unter dem Druck der Staatspartei SED über mehrere Generationen immer mehr von der Kirche entfernt haben, ohne weiteres mit "Ja" beantwortet wird. Und da liegen sie, wissenschaftlich gesehen, richtig. "Man kann auch ohne Gott gut leben", stellt Tiefensee fest. Und keiner seiner Zuhörer, es mögen 500 sein, widerspricht. Es sind nicht nur Katholiken darunter.

Tiefensee, übrigens selbst katholischer Priester, sagt Sätze wie "Jeder Europäer ist christlich und atheistisch zugleich" oder "In jedem Atheisten lebt ein kleiner Christ". Viele christliche Werte seien in der heutigen Gesellschaft allgemein anerkannte humanistische Werte. "Es geht auch ohne Kirchen als Werteagentur", so der Experte. Christen unterschieden sich in ihren Moralvorstellungen nicht von Menschen ohne Konfession.

Bodo Ramelow , der als gebürtiger Westdeutscher Ministerpräsident in Thüringen sowie gleichzeitig Linker und bekennender Christ ist, sieht das ähnlich. Wenn alle, gerade im Hinblick auf Flüchtlinge, darüber nachdächten "Was bedeutet Humanismus, was bedeutet Menschlichkeit?", seien neue Verbindungen zwischen Gläubigen und konfessionslosen Menschen möglich.

Und die Katholikentagsbesucher? "Ich glaube schon, dass man auch ohne Glauben leben kann", sagt der gehbehinderte Thomas Kiefer aus der der Diözese Speyer. Aber für sich möchte er Gott nicht missen. "Die christliche Botschaft sagt mir: "Du bist was wert." "Ich fühle mich geführt, getragen", meint die bayerische Katholikin Elisabeth Löhlein aus Ingolstadt. "Ich habe auch meine Päckchen zu tragen, aber mein Glaube gibt mir Kraft und Hoffnung." Viele konfessionslose Leipziger beobachten das bunte Treiben der Katholikentagsbesucher eher distanziert pragmatisch. "Mir gibt meine Familie Halt", sagt etwa Klaus Jung, der beim Wochenmarkt nach Tomaten Ausschau hält. Nein, mit Religion habe er nichts am Hut. Trotzdem sei es schön, wenn so viele Gäste kämen. Das hört man oft in diesen Tagen.

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