Bilder von KZ-Überlebenden auf Twitter Damit niemand vergisst

Bonn · Eine Million Follower auf Twitter – diese Marke wollte der offizielle Auftritt der KZ-Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau bis zum heutigen Montag erreicht haben. Pünktlich zum Gedenktag.

 Die Ruinenlandschaft des früheren Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau – ein Ort, an dem für so viele Menschen die Sonne nie wieder aufgegangen ist.

Die Ruinenlandschaft des früheren Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau – ein Ort, an dem für so viele Menschen die Sonne nie wieder aufgegangen ist.

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Es sind Bilder, die bleiben. Die bewegen und verstören – wie unlöschbare Mahnmale im Netz. Da lächelt einem die junge Lieselotte Erdmann aus Saarbrücken zu, die im Juli 1943 in das KZ deportiert wurde. Oder der polnische Jude Moszek Warm, der am 20. März 1942 im Alter von 27 Jahren im KZ starb. Das zwölfjährige Mädchen Germaine Steinlauf, das am 13. Februar 1944 in den Gaskammern umkam. Und auch Pater Maximilian Kolbe, der für einen Mitgefangenen in den Tod ging.

„Es ist der wichtigste Twitter-Account, dem ich jemals gefolgt bin“, sagte der US-amerikanische Schauspieler Mark Hamill, bekannt als Luke Skywalker. „Es ist nicht einfach, diesem Account zu folgen. Im Gegenteil, es ist einer der schrecklichsten und zugleich berührendsten Accounts auf Twitter und dabei einer der wichtigsten. Denn er dient als Erinnerung an eine der dunkelsten Zeiten der Geschichte, die wir niemals vergessen dürfen. Bitte folgt ihm.“ Hamill ist dabei. Jan Böhmermann auch: „Unterstützen wir das Team der Gedenkstätte @AuschwitzMuseum auf Twitter und helfen ihnen über die 1 Millionen Follower Marke! Retweeten, teilen, folgen! #niewieder.“ Und auch Außenminister Heiko Maas zeigte Unterstützung.

Nun, kurz vor dem Holocaustgedenktag am heutigen Montag, ist das Ziel erreicht: „Ihr alle habt es geschafft. Ich bin tief bewegt von der Unterstützung von Menschen auf der ganzen Welt, die – zusammen mit uns – der Opfer von Auschwitz gedenken“, sagte der Direktor der Gedenkstätte, Piotr Cywinski, am Samstagabend in einem Tweet.

„Es war eben nicht vor langer Zeit in einer weit, weit entfernten Galaxie“, heißt es unter @AuschwitzMemorial in einer Anspielung auf „Star Wars“. „Es geschah vor gar nicht so langer Zeit, und es passierte in unserer Welt. Es war eine tragische menschliche Geschichte, die wir auf keinen Fall vergessen dürfen.“

Deswegen und damit sich nicht Halb- oder falsches Wissen verbreitet, nimmt @AuschwitzMemorial seinen Bildungsauftrag sehr ernst: „Bildung ist einer der wichtigsten Teile unserer Mission, und die meisten Menschen werden die Gedenkstätte niemals besuchen. Deshalb müssen wir so viele Menschen wie möglich online erreichen.“

Pawel Sawicki ist für den Auftritt der Gedenkstätte in den Sozialen Medien verantwortlich. Auf Twitter werden jeden Tag in englischer und polnischer Sprache kurze Biografien von in Auschwitz Ermordeten mit einem Bild vorgestellt. Bei diesen Biografien wird auf korrekte Sprache geachtet. Die Macher erklären, wenn man genau wisse, wie ein Mensch starb, also erschossen, erhängt oder vergast worden sei, dann werde das auch so gesagt. Wenn nicht, dann benutze man den Begriff „umgekommen“ (perished).

Zum Bildungsauftrag gehört auch, falsche Fakten über das ehemalige Konzentrationslager, zum Beispiel in Romanen oder Sachbüchern, zu korrigieren. Bei vielen Followern hat das Buch „Der Tätowierer von Auschwitz“ der australischen Autorin Heather Morris einen tiefen Eindruck hinterlassen. Wanda Witek-Malicka vom Auschwitz Memorial Research Center hat dazu einen Faktencheck geschrieben – der Ungenauigkeiten und Fehler berichtigt. Wenn also Follower dem Account @AuschwitzMemorial von diesem Buch berichten, dann erhalten sie als Antwort den Faktencheck. Es gibt auch eine Liste mit Empfehlungen zur weiterführenden Lektüre von dem Leiter des Forschungszentrums, Piotr Setkiewicz. In dem Account werden außerdem tagesaktuelle Vorgänge benannt: beispielsweise dass der Streamingdienst Spotify es zulässt, dass Benutzer sich unter dem Namen von ehemals hochrangigen Nazis und selbst Adolf Hitler registrieren lassen und Playlists mit Namen wie „Auschwitz Train Sing Along“ erstellen. Diese verstörende Entdeckung veröffentlichte die Zeitung The Times of Israel – und das wurde von dem Account @AuschwitzMemorial verlinkt. Spotify reagierte zügig und begann, antisemitische Playlists zu löschen.

Im Hinblick auf den 75. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers am heutigen 27. Januar war bereits ein erster Aufruf um die Jahreswende, entsprechend 750 000 Follower zu erhalten, positiv verlaufen. Die neuen und alten Follower setzten dann ein neues hohes Ziel, nämlich rechtzeitig eine Million Menschen für den Account zu interessieren. Es ist nicht einfach, sich jeden Tag neu den Posts auszusetzen. Viele der Follower bringen es immer wieder auf den Punkt: Dem Account zu folgen, schmerzt.

 Die in Saarlouis geborene Esther Bejarano hat den Holocaust überlebt.

Die in Saarlouis geborene Esther Bejarano hat den Holocaust überlebt.

Foto: dpa/Timm Schamberger
  Im Dezember führte Piotr Cywinski (links), Leiter der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) durch das ehemalige KZ.

Im Dezember führte Piotr Cywinski (links), Leiter der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) durch das ehemalige KZ.

Foto: dpa/Robert Michael

Und der Schmerz wird auch an diesem Montag im Vordergrund stehen. In Polen und Deutschland wird auch in der nicht-digitalen Welt an die Opfer des Nationalsozialismus erinnert. Zur zentralen Gedenkveranstaltung am Ort des ehemaligen NS-Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau kommen Gäste aus aller Welt, unter ihnen Holocaust-Überlebende sowie Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und der israelische Präsident Reuven Rivlin. Steinmeier begleiten auf seiner Reise in die Gedenkstätte drei Überlebende. Für den Bundespräsidenten wird es der erste Besuch in Auschwitz sein.

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