Kundus-Ausschuss beginnt Arbeit Vor Afghanistan-Konferenz wächst Kritik an Regierung

Worum geht es?Am 4. September 2009 hatten Nato-Flugzeuge nahe der Stadt Kundus zwei Tankfahrzeuge bombardiert, die zuvor von den Taliban entführt worden waren. Den Angriffsbefehl gab Oberst Georg Klein, der das Kommando über die Bundwehrsoldaten in Kundus hatte. Bei dem Angriff kamen bis zu 142 Menschen ums Leben

Worum geht es?

Am 4. September 2009 hatten Nato-Flugzeuge nahe der Stadt Kundus zwei Tankfahrzeuge bombardiert, die zuvor von den Taliban entführt worden waren. Den Angriffsbefehl gab Oberst Georg Klein, der das Kommando über die Bundwehrsoldaten in Kundus hatte. Bei dem Angriff kamen bis zu 142 Menschen ums Leben.

Warum wurde bombardiert?

In einer ersten Version erklärte das Bundesverteidigungsministerium, damals noch unter der Leitung von Franz Josef Jung (CDU), mit der Bombardierung der Tanklaster einen Anschlag auf die in Kundus stationierten deutschen Soldaten verhindert zu haben. Später wurde ein Bericht von Oberst Klein bekannt, wonach es auch darum gegangen sei, Taliban zu "vernichten". Laut einer Nato-Untersuchung hat Klein gegen Einsatzregeln verstoßen.

Welche Rolle spielt Guttenberg?

Der Verteidigungsminister hatte die Bombardierung Anfang November, also kurz nach seinem Amtsantritt, als "militärisch angemessen" bezeichnet. Vier Wochen später revidierte er seine Meinung mit der Begründung, ihm seien wichtige Unterlagen vorenthalten worden. Das gab er auch als Grund für die Entlassung von Bundeswehrinspekteur Wolfgang Schneiderhan und Staatssekretär Peter Wichert an. Schneiderhan widersprach später dieser Darstellung und verwies auf Dokumente, die Guttenberg schon bei seiner ersten Bewertung gekannt habe und in denen es bereits deutliche Hinweise auf zivile Opfer und Verfehlungen Kleins gegeben habe.

Was interessiert den Ausschuss konkret?

Die Opposition im Ausschuss will wissen, wie es zu Guttenbergs Sinneswandel kam, den Angriff schließlich doch als "nicht angemessen" zu bezeichnen. Von Interesse sind auch die genauen Umstände der Entlassung des Bundeswehrinspekteurs und die Beweggründe, warum das Verteidigungsressort unter Guttenbergs Vorgänger Jung zivile Opfer zunächst kategorisch ausgeschlossen hatte.

Wie geht der Ausschuss vor?

In den kommenden Wochen will das Gremium erst einmal die Faktenlage rund um den Angriff am 4. September beleuchten. In einem weiteren Komplex geht es um die Informationsstränge zwischen dem Ort des Geschehens und den zuständigen militärischen Stellen. Erst danach soll es zu einer politischen Bewertung kommen. Rund 40 Zeugen sollen vernommen werden. Ihre Reihenfolge ist aber zwischen Opposition und Regierungsparteien umstritten. Daher dürfte das Reißverschlussverfahren greifen, bei dem beide Seiten im Wechsel Zeugen laden können.

Wer soll als Zeuge auftreten?

Neben Guttenberg will die Opposition auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU), Ex-Verteidigungsminister Jung sowie Oberst Klein herbeizitieren. Der Oberst dürfte allerdings von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen, weil die Bundesanwaltschaft derzeit prüft, ob er strafrechtlich belangt werden kann.

Berlin. Eine Woche vor der internationalen Afghanistan-Konferenz in London wächst die Kritik am Verhalten der Bundesregierung. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gestern im Deutschlandradio auf, noch vor der Konferenz über ihre künftige Afghanistan-Strategie zu informieren.

Am Tag vor der Konferenz wird Merkel im Bundestag eine Regierungserklärung zu dem Thema abgeben. Steinmeier sagte, es bestehe das Risiko, dass die Bundesregierung ohne klare Linie zu der Konferenz reise. Es sei aber auch für die Bundeswehrsoldaten wichtig, eine solche Linie vorzugeben. Wer keine feste Verhandlungsposition habe, werde auf der Konferenz "zu den Getriebenen" gehören.

Über eine mögliche Aufstockung der deutschen Truppen will die Bundesregierung offenbar erst nach der Konferenz entscheiden. Der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr, Harald Kujat, sagte, der Bundeswehr fehlten in Afghanistan "zwischen 1500 und 2000 Soldaten".

Auch der ehemalige Verteidigungsminister Volker Rühe (CDU) forderte eine deutliche Aufstockung des Kontingents. "Eine Größenordnung von tausend Soldaten würde deutlich machen, dass Deutschland in der Solidarität der Nato steht", sagte Rühe. afp

Meinung

Furcht vor Schlammschlacht

Von SZ-Korrespondent

Stefan Vetter

In den jetzt beginnenden Untersuchungen steckt das Potenzial, um die gesamte künftige Afghanistan-Strategie von Schwarz-Gelb zu beeinflussen. Eine Mehrheit der Bevölkerung findet, dass die Bundeswehr ihre Mission am Hindukusch besser heute als morgen beenden sollte. Das weiß auch die Opposition. Schon warnt der Bundeswehrverband vor einer politischen Schlammschlacht im Ausschuss, die nur zur weiteren Verunsicherung der Soldaten angetan sei. Auf jeden Fall hat der Luftangriff von Kundus gezeigt, dass sich die Bundeswehr in Afghanistan auch in einer rechtlichen Grauzone bewegt. Hier muss die Bundesregierung für Klarheit sorgen. So gesehen haben auch die Ausschussmitglieder von den Oppositionsparteien eine gehörige politische Verantwortung.

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