Krumme Möhren für verwöhnte deutsche Käufer

Düsseldorf/Saarbrücken · Die deutschen Verbraucher sind anspruchsvoll, man könnte auch verwöhnt sagen. Gerade bei Obst und Gemüse isst das Auge immer mit. In den Handel kommen deshalb vor allem Produkte ohne Makel. Ein Discounter will das jetzt nicht mehr mitmachen.

 Foto: dpa

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Zweibeinige Möhren, krumme Gurken, Zitronen mit Flecken: So was kommt den Deutschen nicht in die Tüte. Auch weil der Handel einen Bogen um alles Unperfekte macht. Doch das scheint sich jetzt zu ändern. Der Discounter Penny will ab kommender Woche in seinem Bio-Sortiment auch Obst und Gemüse verkaufen, das bislang wegen Farb- oder Formfehlern nicht den Weg in die Regale schaffte. "Bio-Landwirte sollen auch äußerlich nicht perfekte Erzeugnisse in den Handel bringen können, statt sie unter ihrem Wert in die industrielle Weiterverarbeitung geben zu müssen", begründet Penny-Chef Jan Kunath den Vorstoß.

Bemerkenswert: Einen Preisnachlass für die "nicht normgerechten" Produkte soll es nicht geben. Sie werden ganz einfach zusammen mit den "normalen" Produkten verpackt. Schließlich seien sie qualitativ und geschmacklich einwandfrei, heißt es. Es werde einfach nicht mehr alles aussortiert, was nicht dem gängigen Schönheitsideal entspreche. Bei Verbraucherschützern stößt die Idee auf Zustimmung. "Biobauern haben so viel Aufwand", sagt Silke Schwartau von der Verbraucherzentrale Hamburg. Sie hat eine Umfrage zum Thema gemacht, das Ergebnis war eindeutig: Die allermeisten Kommentare ließen eine große Bereitschaft erkennen, die Optik von Obst und Gemüse weniger wichtig zu nehmen. Eine Antwort lautete kurz und knapp: "Ich habe noch nie verstanden, warum es bei Gemüse und Obst ums Aussehen und nicht um den Geschmack geht."

Auch aus dem Saarland gibt es Lob. "Lebensmittel werden heute zu wenig wertgeschätzt", sagt Reinhold Jost (SPD ), Minister für Umwelt und Verbraucherschutz. "Vor dieser Wegwerfkultur dürfen wir nicht die Augen verschließen. Deshalb freue ich mich über alle Aktionen auch von Discountern, die sich für eine Bewusstseinsänderung stark machen." Bis zu 40 Millionen Packungen mit den gewöhnungsbedürftigen Produkten will Penny binnen eines Jahres unter die Leute bringen.

Ganz allein ist das Unternehmen mit seiner Initiative allerdings nicht. Auch Aldi Nord besteht zwar bei normalem Obst und Gemüse auf Ware der Handelsklasse 1. Doch bei Produkten aus ökologischem Anbau habe der Discounter "eine höhere Toleranz bezüglich Form, Ausfärbung oder der äußeren Beschaffenheit", betont eine Sprecherin. Schließlich kommt es im Öko-Landbau durch den Verzicht auf chemischen Pflanzenschutz und leicht lösliche Düngemittel eher zu Schalenfehlern oder kleineren Früchten.

Andere Handelsketten bringen Obst und Gemüse mit Schönheitsfehlern bei zeitlich befristeten Verkaufsaktionen an die Kunden. Die meist aus konventionellem Anbau stammenden Produkte gibt es dann allerdings in der Regel zu deutlich herabgesetzten Preisen. So verkaufte Edeka Ende 2013 unter dem Motto "Keiner ist perfekt" testweise in einigen Märkten Obst und Gemüse mit Fehlern. Auch in Zukunft seien ähnliche Aktionen denkbar, betont Deutschlands größter Lebensmittelhändler. Allerdings sei das Angebot solcher "nicht perfekter Ware" seitens der Erzeuger geringer als erwartet.

Der zum Edeka-Reich gehörende Discounter Netto veranstaltet regelmäßig nationale und regionale Verkaufsaktionen von Obst und Gemüse mit Schönheitsfehlern. Der Penny-Mutterkonzern Rewe setzt auf eine "situationsbezogene Vermarktungsstrategie". So verkaufte Rewe 2013, als die kühle Witterung die Apfelernte beeinträchtigte, unter dem Motto "Kleine Äpfel, großer Geschmack".

Eine Selbstverständlichkeit ist der gelassene Umgang mit dem etwas anderen Obst und Gemüse ohnehin längst in den meisten Bio-Läden. Der Alnatura-Manager Fernando Krokisius meinte jüngst in einem Interview: "Unsere Kunden freuen sich sogar über krummes Gemüse ." Siegfried Leimroth, der mit seiner Familie mehrere Biomärkte im Saarland betreibt, kann das bestätigen: "Unsere Kunden wissen, dass das Aussehen keine Auswirkungen auf die Qualität hat, sondern im Gegenteil eher ein Indiz für Natürlichkeit ist. Sobald da irgendwas besonders gelackt aussieht, werden die kritisch."

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