Kritik an Erdogan-Besuch

Köln · Keine zwei Wochen nach dem Grubenunglück in Soma will der türkische Ministerpräsident Erdogan eine Großveranstaltung in Köln abhalten. In Deutschland werden Forderungen nach einer Absage laut.

Nach dem harten Vorgehen der türkischen Regierung beim Grubenunglück in Soma stößt der von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan geplante Auftritt in Köln zunehmend auf Widerstand. Politiker von SPD, CSU und Grünen kritisierten die für den kommenden Samstag geplante Veranstaltung.

Die CDU-Vizevorsitzende Julia Klöckner sagte der "Welt": "Ich kann mir nur wünschen, dass bei Erdogans Auftritt in Köln möglichst viele hier lebende Türkischstämmige durch Abwesenheit zeigen, dass sie mit seinem gegenwärtigen Agieren in der Türkei nicht einverstanden sind." Die türkischstämmige CDU-Bundestagsabgeordnete Cemile Giousouf sagte: "Ich frage mich, wie ein Ministerpräsident nach so einem wahnsinnigen Unglück zu einer Jubiläumsfeier nach Deutschland kommen kann." Mehrere Gegendemonstrationen sind angekündigt, unter anderem von der Alevitischen Gemeinde.

Erdogans Partei AKP hat betont, der Auftritt in Köln sei keine Wahlkampfveranstaltung, sondern würdige das zehnjährige Bestehen der Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD). Kritiker gehen jedoch davon aus, dass Erdogan türkischer Präsident werden und in Köln um Stimmen werben will. An der Wahl am 10. August dürfen erstmals auch die im Ausland lebenden Türken teilnehmen.

CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer forderte in "Spiegel Online": "Erdogan darf seine Wahlkampfschlachten nicht nach Deutschland verlagern." Der CSU-Abgeordnete Hans-Peter Uhl empfahl Erdogan in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" ("FAS") Mäßigung für seinen Auftritt in Deutschland.

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD), sagte der "FAS", die Bilder aus der Türkei vom Vorgehen gegen Demonstranten seien "absolut erschütternd und nicht hinnehmbar".

Erdogan hatte vergangenen Monat empört auf Kritik von Bundespräsident Joachim Gauck bei einem Türkei-Besuch reagiert. Gauck hatte Demokratiedefizite in der Türkei beklagt.

Die Regierung hatte die Bergungsarbeiten in Soma am Samstag für beendet erklärt. Nach ihren Angaben kamen bei dem schwersten Grubenunglück in der Geschichte der Türkei 301 Kumpel ums Leben, 485 Menschen überlebten.

Die Betreibergesellschaft Soma Holding und die Regierung wiesen jede Verantwortung für das Grubenunglück zurück. Nach der Katastrophe kam es in mehreren Städten zu Protesten, bei denen Demonstranten den Rücktritt der Regierung forderten. Die Polizei ging mit Wasserwerfern und Tränengas gegen sie vor.

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