Kriegserklärung an den Präsidenten

Partei · Die sozialistische Parteilinke hat sich ein Jahr vor den Wahlen von Präsident Hollande losgesagt. Sie trägt die Arbeitsmarktreform nicht mit, die deshalb ohne Parlamentsvotum in Kraft treten soll.

"Frondeure" nennen sich diejenigen Parteilinken, die in der französischen Nationalversammlung seit Jahren die eigene sozialistische Regierung kritisieren. Doch der Begriff passt seit Mittwoch nicht mehr auf die Kritiker, die da auf einmal zu offenen Feinden wurden. Eine Gruppe von rund 30 Sozialisten stellte sich in einem Misstrauensantrag der Linksparteien offen gegen die Regierung. Zwar fehlten zwei Stimmen, um den Antrag tatsächlich auch einzubringen, doch der Bruch im Parti Socialiste (PS) war damit vollzogen. "Es handelt sich um einen wahren Krieg, den ein Teil der Sozialisten dem Staatschef und dem Premierminister liefert", schreibt die konservative Zeitung "Le Figaro."

Anlass für die Kriegserklärung war die Entscheidung von Regierungschef Manuel Valls, die umstrittene Reform des Arbeitsrechts am Parlament vorbei zu verabschieden. Der Artikel 49-3 der Verfassung gibt der Regierung dieses Machtinstrument in die Hand, das sie bereits im vergangenen Jahr einsetzte. Schon damals vermied sie damit die Blamage, in der Nationalversammlung keine Mehrheit zu bekommen, weil die Parteilinke ihr nicht folgte. Wenn eben jener linke Parteiflügel unter der Führung der Ex-Minister Benoît Hamon und Aurelie Filippetti nun offen aufbegehrt, so ist das mehr als eine inhaltliche Kritik . Die Gruppe kehrt Präsident François Hollande den Rücken, von dem sie sich verraten fühlt. Hatte der Sozialist doch im Wahlkampf gegen die Finanzwelt geschimpft, um dann eine sozialliberale Wende zu vollziehen.

Der Traum Hollandes, im nächsten Jahr getragen von der Linken wieder zu kandidieren, dürfte damit endgültig begraben sein. Am linken Rand der Sozialisten läuft sich bereits der ehemalige Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg warm, der 2014 wegen Kritik am seiner Ansicht nach zu unternehmerfreundlichen Kurs Hollandes entlassen worden war. Die konservative Opposition freut sich natürlich über die Grabenkämpfe unter den Sozialisten ein Jahr vor den Präsidentschaftswahlen. "Hollande hat Frankreich ruiniert und die Seinen verraten", sagte der Fraktionschef der konservativen Republikaner, Christian Jacob, gestern in der Nationalversammlung. Seine Partei hatte einen eigenen Misstrauensantrag eingebracht, der aber keine Aussicht auf Erfolg hatte. Für einen Rücktritt der Regierung wären 288 Stimmen nötig. Allerdings stimmten gestern Abend nur 248 Abgeordnete dafür.

Die Reform des Arbeitsrechts kritisierte Jacob als "inhaltsleeren und sogar gefährlichen" Text. Das neue Gesetz, das nach Arbeitsministerin Myriam El Khomri benannt ist, soll Unternehmer zu Einstellungen ermutigen. Dazu sollen Vereinbarungen über die Arbeitszeit beitragen, die künftig auf Betriebsebene statt wie bisher auf Branchenebene getroffen werden können. Auf eine Deckelung von Abfindungen vor den Arbeitsgerichten verzichtete die Regierung nach Kritik der Gewerkschaften, die allerdings auch mit der neuen Fassung nicht zufrieden sind. Sie riefen für nächste Woche zu weiteren Protestkundgebungen auf.

Meinung:

Ein quälend langes Ende

Von Christine Longin

Es war ein trauriges Spektakel, das sich in der französischen Nationalversammlung bot. Die regierenden Sozialisten , die vor vier Jahren noch voller Selbstbewusstsein die erste Parlamentskammer erobert hatten, sind nun eine zerbrochene Partei . Mehr als 30 sozialistische Abgeordnete haben sich offen von der Regierung losgesagt. Damit schafft es der Parti Socialiste ähnlich wie die SPD in Deutschland oder die PSOE in Spanien nicht mehr, Mehrheiten zu bekommen.

Zwar scheiterte das Misstrauensvotum gegen die Regierung, doch das letzte Jahr vor den Wahlen droht zu einer langen Agonie zu werden. Staatschef François Hollande , der bis zuletzt reformieren wollte, kann das Land nur noch verwalten. Seine Wiederwahl kann er ohnehin vergessen, denn nicht einmal seine eigene Partei steht mehr hinter ihm.

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