Krieg im Herzen der türkischen Hauptstadt

Ankara · Der Anschlagsort lag nahe dem Sitz des türkischen Generalstabs und des Parlaments in Ankara: Neben einem Konvoi von Armeebussen explodierte gestern eine Autobombe, Feuer brach aus.

Der Militärkonvoi schob sich durch die Straßen im Stadtzentrum von Ankara . Die Dunkelheit war bereits hereingebrochen, im Regierungsviertel der türkischen Hauptstadt, in dem Parlament, Ministerien, Botschaften und Generalstab eng beieinander liegen, herrschte Feierabendverkehr. Mit einer gewaltigen Detonation, die im ganzen Stadtgebiet zu hören war, flogen gegen 18.30 Uhr Ortszeit (17. 30 Uhr MEZ) mehrere Wagen des Konvois in die Luft und gerieten in Brand. Unbekannte hatten neben den Fahrzeugen eine Autobombe gezündet - und der schon seit Monaten von schweren Terroranschlägen erschütterten Türkei einen neuen Schlag versetzt.

Mindestens 28 Todesopfer gab es bis zum späten Abend zu beklagen, und angesichts einer Zahl von rund 60 Verletzten war mit einem weiteren Anstieg der Opferzahl im Laufe der Nacht zu rechnen.

Bilder vom Anschlagsort zeigten eine schwarze Rauchsäule über der Stadt und völlig ausgebrannte Busse - und all das nur wenige hundert Meter vom Parlament und vom Hauptquartier der türkischen Armee entfernt. Regierungssprecher Numan Kurtulmus sprach von einem sorgfältig vorbereiteten Anschlag. Hinweise auf die Täter gebe es noch nicht.

Doch noch während die Sirenen der Krankenwagen heulten, setzten die ersten Spekulationen über die Urheber ein. Ganz offensichtlich sollte mit dem Anschlag im Herzen der Regierungsmacht eine blutige Botschaft an die Regierung geschickt werden. Viele Beobachter waren sich schnell einig, dass wahrscheinlich die kurdische Rebellengruppe PKK hinter dem Anschlag steckte. Für deren Täterschaft sprach nicht nur der Zeitpunkt. Fast genau vor 17 Jahren, am 16. Februar 1999, hatte der türkische Geheimdienst in Kenia den PKK-Gründer Abdullah Öcalan gefangen genommen und in die Türkei geflogen. Öcalan sitzt bis heute auf der Gefängnisinsel Imrali bei Istanbul ein. Seit seiner Festnahme gibt es regelmäßig um den Jahrestag herum Gewalttaten kurdischer Extremisten. Doch nicht nur das Datum ließ die PKK ins Zentrum der Vermutungen rücken. Seit Monaten schon liefern sich türkische Sicherheitskräfte und die PKK Gefechte im südostanatolischen Kurdengebiet. Dabei geht der Staat gegen eine von den Rebellen ausgerufene "Autonomie" vor, die von der PKK mit Barrikaden; Straßenschlachten und Sprengfallen verteidigt wird. Bis zu tausend PKK-Kämpfer sollen bei den mit schweren Waffen ausgetragenen Straßenkämpfen bisher ums Leben gekommen sein. Kurdenpolitiker und Menschenrechtler werfen Armee und Polizei vor, mit rücksichtsloser Härte auch gegen Zivilisten vorzugehen. Es ist, als hätte es den Friedensprozess zwischen Staat und PP, der noch vor einem Jahr viel Hoffnung verbreitete, nie gegeben.

Seit einigen Tagen bekämpfen sich türkische Militärs und kurdische Rebellen zudem noch an einer anderen Front: in Syrien. Seit Samstag nimmt die türkische Artillerie von der Grenze aus die Stellungen der syrischen Kurdenmiliz YPG unter Beschuss. Die YPG ist ein syrischer Ableger der PKK und kämpft für kurdische Selbstverwaltung. Kurz vor der Bombe von Ankara hatte Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan in einer Rede erklärt, sein Land denke trotz der für Syrien geplanten Waffenruhe nicht daran, den Beschuss der YPG einzustellen. Es war der vierte schlimme Anschlag in der Türkei seit Sommer 2015.

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