Kräftiges Plus für Kassenärzte

Berlin. Die umstrittene Honorarreform hat zwei von drei Praxisärzten in Deutschland teils deutlich höhere Einkommen gebracht. Nur in Baden-Württemberg gab es im ersten Quartal 2009 ein kleines Minus von 0,7 Prozent - die Mediziner in Berlin sind die größten Gewinner

Berlin. Die umstrittene Honorarreform hat zwei von drei Praxisärzten in Deutschland teils deutlich höhere Einkommen gebracht. Nur in Baden-Württemberg gab es im ersten Quartal 2009 ein kleines Minus von 0,7 Prozent - die Mediziner in Berlin sind die größten Gewinner. Im Schnitt verdienten die rund 140 000 Ärzte in Deutschland im ersten Quartal 7,8 Prozent mehr, wie die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) gestern in Berlin in einer ersten vorläufigen Gesamtbilanz berichtete. Das Honorar für die Ärzte dürfte laut KBV noch stärker steigen als bislang angenommen: von rund 29 Milliarden 2008 auf 31,6 Milliarden Euro in diesem Jahr.

Unklar blieb, ob damit die Ärzteproteste enden, wie dies Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) und die Krankenkassen erneut forderten. Einige Arztgruppen und Regionen hätten weniger als andere gewonnen oder sogar verloren, sagte KBV-Chef Andreas Köhler (Foto: dpa). "Da ist die Verärgerung nach wie vor groß." Die Kassen verlangten ein Ende jeglicher "Panikmache" bei den Ärzten. Spitzenreiter sind die Ärzte in Berlin mit 32,2 Prozent mehr Geld, gefolgt von Niedersachsen mit einem Plus von 17,6, Sachsen-Anhalt mit 16,1 und Mecklenburg-Vorpommern mit 15,6 Prozent mehr. Das Ziel einer Angleichung in den neuen Ländern sei "zufriedenstellend gelungen", sagte Köhler.

Die Ärzte wollen bei den am 7. August startenden Verhandlungen mit den Kassen über das Honorar für 2010 nun noch mehr Geld herausholen. "Wir sind noch immer in der Kostenunterdeckung", sagte Köhler. Das Problem, dass nur jede dritte Leistung bezahlt werde, sei nur teilweise behoben. Seit 2000 habe es für die Ärzte Kostensteigerungen von 17 Prozent gegeben, die nun teils ausgeglichen werden sollten. Von der Gesamtheit aller Ärzte hätten 65 Prozent hinzugewonnen, besonders stark Kardiologen, von denen 82 Prozent mehr bekamen, Nervenärzte (80 Prozent) und Urologen (77 Prozent). Dagegen hätten 35 Prozent aller Ärzte Verluste hinnehmen müssen, so die KBV. 60 Prozent der Orthopäden verdienten weniger. 44 Prozent der Anästhesisten, 42 Prozent der Hals-Nasen-Ohren-Ärzte und jeder dritte Hausarzt bekam weniger. Köhler wehrte sich gegen Vorwürfe. Wegen hoher Investitionsrisiken seien junge Ärzte "trotz vermeintlich guter Zahlen" zu wenig bereit, sich niederzulassen. Daher drohe Ärztemangel. ddp

Meinung

Falscher Alarm

Von SZ-Korrespondent

Stefan Vetter

Da staunt der Fachmann, und der Laie wundert sich. Was hatten die Praxisärzte nicht alles an Protest in Bewegung gesetzt, um gegen ihre vermeintlichen Hungerlöhne anzukämpfen, die dank der neuen Honorarreform schon als unumstößliche Gewissheit galten. Jetzt musste die Kassenärztliche Bundesvereinigung kleinlaut einräumen, dass die Vergütung "besser ausgefallen" ist "als erwartet". Und das ist noch eine Untertreibung. Im Schnitt verdienten die niedergelassenen Ärzte in den ersten drei Monaten 2009 rund acht Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Davon können die meisten Arbeitnehmer nur träumen. Mit ihrem Gejammer haben die Ärzte das Vertrauen der gesetzlichen Versicherten arg strapaziert. Letztere müssen übrigens den Honorar-Zuwachs mit ihren Beiträgen finanzieren. Um so mehr sollten sie jetzt auf eine qualitativ gute Behandlung achten, anstatt für fragwürdige Kampagnen der Ärztelobby missbraucht zu werden.

Hintergrund

Die saarländischen Ärzte haben laut Kassenärztlicher Bundesvereinigung im ersten Quartal 13,2 Prozent mehr verdient als im Vergleichszeitraum 2008. Insgesamt zählen 78 Prozent aller Ärzte zu Reform-Gewinnern, vor allem Haut-, HNO- und Hausärzte konnten ihre Einnahmen nahezu durchweg steigern. Dagegen gehören viele Anästhesisten, Augenärzte, Urologen und Orthopäden zu Verlieren. Von den Orthopäden machte fast jeder Zweite mehr als fünf Prozent Verlust. red

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